Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat gegen die Kreissparkasse Kaiserslautern erfolgreich wegen unzulässiger Zinsanpassungsklauseln geklagt. Die Kreissparkasse bietet den Kunden fünf Wahlmöglichkeiten zur Weiterführung des Vertrags an, diese jedoch unattrakiv und teilweise kritikwürdig.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat in zwei Verfahren gerichtlich feststellen lassen, dass Zinsanpassungsklauseln der Kreissparkasse Kaiserslautern unzulässig waren (Landgericht Kaiserslautern Az. 2 O 756/18, Urteil vom 2. März 2020 und OLG Zweibrücken Az. 7U 97/18, Beschluss vom 17.09.2019, jeweils rechtskräftig).
Der aktuelle Stand (04.09.2020)
Mit einem Schreiben an ihre Kunden vom 31. Januar 2020 versucht die Kreissparkasse, ihre bislang rechtswidrige Zinsanpassung auf eine neue rechtskonforme Grundlage zu stellen. Hierzu möchte sie mit ihrem Kunden neue Vereinbarungen treffen und bietet ihnen verschiedene Optionen an, von der Fortsetzung des Vertrags bis hin zur Beendigung.
Sämtliche Optionen sind aber kritikwürdig. Nach Auffassung der Verbraucherzentrale setzt die Kreissparkasse mit dem nunmehr angebotenen Zinsanpassungsverfahren erneut geltendes Recht nicht um und benachteiligt ihre Kunden weiterhin. Die Verbraucherzentrale hat daher betroffenen Kunden mit einem eigenen Musterbrief unterstützt. Etliche Kunden haben diesen bereits verwendet und die Kreissparkasse aufgefordert, interessengerechte Parameter in der Zinsanpassungsklausel festzulegen. Allerdings ohne Erfolg.
Die Kreissparkasse hat in einem fünfseitigen Schreiben vom 20.03.2020 die Einwände der Kunden zurückgewiesen und beharrt auf ihrer Position und den bereits angebotenen Optionen. Die Kreissparkasse ist der Meinung, dass sie die Grundzinsen in der Vergangenheit korrekt angepasst habe und versucht mit der neuen Vereinbarung nun, das bisher angewandte Verfahren festzuschreiben. Sie behauptet, dass sich die neuen Vereinbarungen an der bisherigen Rechtsprechung orientieren würden. Diese Einschätzung teilt die Verbraucherzentrale nicht. Am 12.06.2020 hat die Kreissparkasse etliche Kunden erneut angeschrieben und bat mit neuer Frist bis zum 15.07.2020 um Rückmeldung zu den offerierten Optionen.
Nun liegen die ersten Schlichtersprüche vor. Der Ombudsmann des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands schlägt den Kunden vor, sich mit der Kreissparkasse auf Option I des Angebots vom 31.01.2020 zu einigen. In seiner ausführlichen Stellungnahme verweist er auf die noch ungeklärte Rechtslage und empfiehlt Kunden, die den Streit beigelegt sehen wollen, das Angebot der Kreissparkasse anzunehmen, das er für wirtschaftlicher hält. Der Ombudsmann stellt die Vorgaben des Bundesgerichtshofes zur relativen Zinsanpassung infrage und verteidigt die Position der Sparkasse, die lediglich eine absolute Zinsanpassung angeboten hat. Ferner weist er Verbraucher auf das Verjährungsrisiko hin. Verbraucher, die sich für die vom Ombudsmann präferierte Option I entscheiden, verzichten allerdings auf mögliche Zinsnachforderungen seit Vertragsabschluss. Je nach Vertrag geht es um mehrere hundert Euro Zinsnachzahlung. Ob und inwieweit diese Zinsforderung der Verjährung interliegt, ist zwar nicht abschließend geklärt, das OLG Dresden hat diese Rechtsfrage aber bereits zu Gunsten der Verbraucher entschieden (Az. 5 MK 1/19 und Az. 5 MK 1/20).
Was können Betroffene nun tun?
Wir sind der Auffassung, dass den Sparern deutlich mehr Zinsen zustehen, sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft. Die Rechtsprechung, auf welche die Kreissparkasse verweist, lässt Spielraum. So stützt auch die Verbraucherzentrale ihre Argumentation auf die bisherige Rechtsprechung. Darauf nahm auch der Musterbrief der Verbraucherzentrale Bezug. Eine unwirksame Vertragsklausel kann nicht einseitig von einem Vertragspartner neu festgelegt und ersetzt werden. Vielmehr bedarf es, sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft, einer neuen, fairen und transparenten Vereinbarung beider Parteien. Sie sollten der Kreissparkasse noch eine letztmalige Gelegenheit geben, eine faire und transparente Vereinbarung mit Ihnen zu treffen. Dazu stellen wir Ihnen einen neuen Musterbrief zur Verfügung. Der Kreissparkasse gegenüber sollte deutlich gemacht werden, dass Sie Ihre Rechte auch gerichtlich durchzusetzen bereit sind. Immerhin ist unstreitig, dass die bisherigen Zinsanpassungsklauseln rechtswidrig waren. Und auf eine neue zulässige Klausel haben Sie sich ja nie geeinigt.
Von der Schlichtungsstelle des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands dürfen Sie derzeit keine Hilfe erwarten. Sie hat, wie wir von Verbrauchern erfahren haben, eine Schlichtung bezüglich der Zinsanpassung mit Verweis auf die Verfahrensordnung abgelehnt, weil dazu angeblich keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorläge. Wie mit dieser Einschätzung die Behauptung der Kreissparkasse Kaiserslautern in Einklang zu bringen ist, dass deren Zinsanpassung im Einklang mit ebendieser Rechtsprechung stünde, bleibt offen. Wir haben die Finanzaufsicht bereits über den Sachverhalt informiert. Auch Sie können sich mit Ihrer Beschwerde direkt an die BaFin wenden.
Verbraucher, die Streit mit der Kreissparkasse beenden möchten, können eine der angebotenen Optionen wählen. Aus Sicht der Verbraucherzentrale sind jedoch alle Optionen kritikwürdig und nicht im Sinne der Verbraucher.
Was passiert, wenn es zu keiner Einigung kommt?
Wenn es zu keiner Vereinbarung kommt, bleibt die Sache weiterhin ungeregelt. Das heißt, die Kreissparkasse wird den Grundzins Ihres Vertrages nach dem von ihr favorisierten Verfahren anpassen.
Es ist allerdings absehbar, dass in nächster Zukunft weitere Gerichtsentscheidungen zur Zinsanpassung gefällt werden. Es laufen derzeit mehrere Musterfeststellungsklagen der Verbraucherzentrale Sachen, die zwar nicht ganz identische Sachverhalte betreffen, aber doch ähnliche. Möglicherweise erhalten Sie hier weiteren Rückenwind für Ihre Forderungen. Wenn Sie sich also derzeit auf keine der vorgeschlagenen Optionen mit der Kreissparkasse Kaiserslautern einigen wollen, können Sie, bevor Sie rechtliche Schritte einleiten, auch den Ausgang dieser Verfahren abwarten. Eventuell werden diese anderen Gerichtsverfahren Klarheit bringen und Ihre – oder die Position der KSK Kaiserslautern - stärken.
Wir sind der Auffassung, dass Ihre Ansprüche auf Neuberechnung und daraus resultierende Zinsnachforderung erst drei Jahre nach Beendigung des Vertrags verjähren. Sollte Ihr Sparvertrag noch laufen, können Sie das Ergebnis weiterer Rechtsprechung abwarten.
Wichtig zu wissen: Die Kreissparkasse Kaiserslautern kann den riestergeförderten Vertrag wegen einer fehlenden Vereinbarung zur Zinsanpassung nicht ordentlich kündigen.
Warum wir das Schreiben der der Kreissparkasse vom 31.01.2020 und die darin angebotenen Optionen kritisch bewerten, können Sie im Folgenden nachlesen.
Worum geht es?
Mit Datum vom 31. Januar 2020 erhielten Kunden der Kreissparkasse Kaiserslautern, die einen VorsorgePlus Altersvorsorgevertrag abgeschlossen haben, Post von ihrer Sparkasse. Hierin werden sie aufgefordert, sich für eine von fünf angebotenen Optionen „in Bezug auf die weitere Vertragsgestaltung“ zu entscheiden.
Option I: Fortsetzung des bestehenden S-Vorsorge-Plus-Vertrages mit modifizierter Zinsanpassungsklausel und verbindlicher Mindestverzinsung in Höhe von 0,3% p.a. bei einer dazugehörigen Zinsnachzahlung und gleichzeitiger Verzichtserklärung
Option II: Fortsetzung des bestehenden S-VorsorgePlus-Vertrages mit modifizierter Zinsanpassungsklausel und verbindlicher Mindestverzinsung in Höhe von 0,01% p.a.
Option III. Förderschädliche Auflösung des S-VorsorgePlus Vertrages
Option IV: Anbieterwechsel
Option V: Beratungstermin
Die Sparkasse weist darauf hin, dass „Streichungen, Ergänzungen oder anderweitige Änderungen“ nicht zulässig seien. Ferner teilte sie mit, dass sie folgende Klausel zur Anpassung des Grundzinssatzes nicht mehr anwenden würde: „Der Grundzinssatz ergibt sich aus dem jeweiligen Referenzzinssatz abzüglich eines Prozentpunktes“. Gegen eben diese Klausel war zuvor die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rechtlich erfolgreich vorgegangen. Das OLG Zweibrücken befand, übereinstimmend mit dem LG Kaiserslautern, die Klausel für rechtswidrig (Beschluss vom 17.09.2019, Az 7U 97/18).
Wie bewertet die Verbraucherzentrale die einzelnen Optionen?
Optionen I und II
Die Kreissparkasse bietet an, den Vertrag weiterzuführen. Dazu schlägt sie eine Änderung des Referenzzinssatzes zur Berechnung der Grundzinsen vor sowie ein sogenanntes absolutes Verfahren zur Zinsanpassung. Außerdem bietet sie, um negative Grundzinsen zu verhindern, eine Mindestverzinsung an. Zunächst stellen wir die Änderungen dar und bewerten diese. Anschließend gehen wir auf den kleinen, aber durchaus bemerkenswerten Unterschied zwischen Option I und Option II ein.
Grundzinsen: Änderung des Referenzzinssatzes
Im neuen Verfahren zur Zinsanpassung benennt die Kreissparkasse als Referenz einen aus zwei verschiedenen Zinssätzen zusammengesetzten Referenzzins: In den Referenzzins soll zu 30% ein gleitender 3-Monatszins (EURIBOR) und zu 70% ein gleitender 10 Jahreszins (Bundeswertpapiere) eingehen.
Die Beimischung eines 3 Monatszinses berücksichtigt einseitig das Interesse der Sparkasse, möglichst wenig Zinsen für sehr langfristig verfügbare Einlagen zahlen zu müssen. Für Altersvorsorge-Produkte mit einer Kapitalbindung von mehreren Jahrzehnten ist ein solcher Zinssatz keine geeignete Bezugsgröße, auch nicht als Bestandteil eines Mischzinssatzes.
Der gewählte gleitende 10 Jahreszins bildet die Renditen von Bundeswertpapieren ab, bekannt auch als deutsche Staatsanleihen (Bundesbank Statistik, Zeitreihe BBK01.WZ3459). Die Verzinsung deutscher Staatsanleihen liegt erheblich unter der Verzinsung, welche Kreditinstitute für Ausleihungen vergleichbarer Laufzeiten untereinander bezahlen. Die Renditen von Bundeswertpapieren sind unseres Erachtens nicht interessengerecht. Was ist dann die Alternative? Wir haben in unseren Zinsnachberechnungen für Verträge der Kreissparkasse Kaiserslautern gleitende 10-Jahres-Renditen für Hypothekenpfandbriefe unterstellt (Bundesbank Statistik, Zeitreihe BBK01.WX4260). Dabei handelt es sich um Anleihen von Banken, die speziell abgesichert sind und dadurch als besonders sicher gelten. Nach unserer Auffassung spiegeln Hypothekenpfandbriefrenditen die Marktverhältnisse der Kreditinstitute eher wider als Renditen von Staatsanleihen.
Mischzinsen sind generell problematisch, weil sie intransparent sind: Verbraucher müssen, um ihren Referenzzins nachzuvollziehen, fortlaufend eine Rechenoperation durchführen. Außerdem verhalten sich die beiden Referenzzinssätze nicht gleichartig, sodass eine schnelle Einschätzung der Referenzzinsveränderung auf den Grundzins nicht möglich ist.
Welchen Unterschied die Wahl des Referenzzinssatzes macht, zeigt folgende Gegenüberstellung:
Vergleich der Referenzzinsen, Stand Januar 2020
Referenzzins der Verbraucherzentrale (BBK01.WX4260, gleitend): |
1,52% |
Referenzzins der KSK: 30% BBK01.SU316G, 70% BBK01.WZ3459 |
0,66% |