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Intransparente Schreiben bei Erhöhung von Strompreisen

Stand:
Wenn die Stromerhöhung ins Haus flattert: Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg untersuchte, ob die Schreiben an Verbraucher auch dem gesetzlichen Standard entsprechen. Unsere Ergebnisse: Viele Schreiben informieren nur intransparent über die Erhöhung von Strompreisen.
Ehepaar sitzt auf dem Sofa und schaut verärgert auf einen Brief

Das Wichtigste in Kürze

  • Nicht alle Preiserhöhungsschreiben sind als solche erkennbar – weder in der formalen Gestaltung noch im Betreff
  • Manche Energieversorger machten falsche Angaben zum Sonderkündigungsrecht.
  • Die Begründungen für die Preiserhöhungen können Verbraucher nicht nachprüfen.
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Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg untersuchte, ob Energieversorger in ihren Schreiben korrekt über die Erhöhung von Strompreisen informieren. Entsprechen die Mitteilungen den gesetzlichen Standards? Die Auswertung: Viele Schreiben informieren nur intransparent über die Erhöhung von Strompreisen. Hier stellen wir Ihnen die kreativsten Anschreiben und unsere Einschätzung vor.

Nach unserem Aufruf  überließen uns Verbraucher aus Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern 61 Preiserhöhungsschreiben von 31 verschiedenen Energieunternehmen zur Analyse. Von drei Unternehmen liegen uns Erhöhungsschreiben zur Grundversorgung, als auch zu Sonderverträgen vor.

Die rechtliche Basis

Wenn ein Stromversorger seine Preise ändert, muss er bestimmte Gesetze einhalten. Je nach Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Versorger, gelten in Deutschland die StromGVV (Stromgrundversorgungsverordnung) oder das EnWG (Energiewirtschaftsgesetz):

  • StromGVV: Kunden in der Grundversorgung
  • EnWG: Kunden beim Grundversorger, aber nicht im Grundversorgungstarif; Kunden sonstiger Energieversorger

Wie der BGH bereits im Jahr 2013 entschied, haben einzelne aus Verbrauchersicht positive Regelungen der StromGVV Leitbildcharakter (Urteil vom 31.7.2013, AZ VIII ZR 162/09). Deshalb beurteilen wir die Anschreiben der Energieversorger unter den Vorgaben der GVV.

Für die Gestaltung von Preiserhöhungsschreiben ist laut GVV gesetzlich vorgegeben:

  1. Die Energieversorger müssen Kunden rechtzeitig vorab (6 Wochen zuvor), transparent und verständlich auf die Änderung der Preise hinweisen: Umfang, Anlass und Voraussetzungen der Änderung müssen angegeben werden.
  2. Im gleichen Schreiben muss der Versorger auf das Sonderkündigungsrecht des Kunden hinweisen. Mit dem Sonderkündigungsrecht können Verbraucher den Liefervertrag fristlos kündigen, wenn sie mit der Preiserhöhung nicht einverstanden sind.

Auswertung der Preiserhöhungsschreiben

Wir analysierten die Mitteilungsschreiben der Stromversorger, ob sie die Preiserhöhung als solche erkennbar machen, ob ein Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht der Verbraucher enthalten ist und ob die Erhöhung begründet wird. Doch schon ein ordentliches Datum stellt manche Energieversorger vor Probleme.

1.    Datum abgedruckt?

Drei Energieversorger hielten es nicht für nötig, ein ordentliches Datum abzudrucken. Es wurde lediglich ein Monat angegeben, zum Beispiel „November 2018“. Damit ist für Verbraucher nicht ersichtlich oder später nachweisbar, ob das Anschreiben in der gesetzlich vorgegebenen Frist zugegangen ist. Eine Preiserhöhung ist nur wirksam, wenn mindestens sechs Wochen zuvor darüber informiert wurde. Die Preisänderung kann nur jeweils zum Monatsbeginn wirksam werden (StromGVV §5 Abs. 2) oder vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode (EnWG § 41 Abs. 3).

2.    Preiserhöhungsschreiben erkennbar?

2.1.    Wie ist der Betreff gestaltet?

Die Betreffzeile entscheidet meist, ob ein Schreiben ernst genommen wird oder sofort im Papierkorb landet. Bei der Analyse der Betreffzeilen konnten wir feststellen, dass die meisten Versorger die Preiserhöhung zu verschleiern versuchen. Kein Anbieter nennt in der Betreffzeile klar und deutlich, um was es geht. So könnte eine transparente Betreffzeile aussehen:

Bedingt in Ordnung

Die Schreiben von 21 Anbietern waren bedingt in Ordnung, da sich erkennen ließ, dass es um eine Änderung der Preise im Vertragsverhältnis geht. Statt klar zu beschreiben, dass sich die Preise erhöhen, wählten die Anbieter folgende Betreffzeilen:

Fragwürdige Betreffzeilen

Mindestens fragwürdig sind die Betreffzeilen von vier Versorgern zu bewerten:

Nicht in Ordnung: falsche Angaben im Betreff

Drei Versorger machten entgegen den gesetzlichen Vorgaben im Betreff schlicht falsche Angaben:

Nicht in Ordnung: Preiserhöhung verstecken

Auch nicht in Ordnung ist, wenn die Preiserhöhung in einem dreizeiligen Betreff versteckt wird, wie bei zwei Versorgern der Fall:

Nicht in Ordnung: gar kein Betreff

Ein Anbieter machte es sich einfach: Er hatte gar keinen Betreff in seinem Schreiben angegeben.

2.2    Wie wirkt das Gesamt-Erscheinungsbild?

Ein Erhöhungsschreiben erkennt man natürlich nicht nur anhand der Betreffzeile, sondern auch durch die weitere Gestaltung. Anhaltspunkte sind zum Beispiel die Gegenüberstellung von altem und neuem Preis, farbliche oder textliche Hervorhebung (farbliche Hinterlegung, Überschrift oder hervorgehobene Signalwörter).
Wir untersuchten, ob die Anschreiben auch im Gesamt-Erscheinungsbild als Erhöhungsschreiben erkennbar waren. Insgesamt wird das Thema Preiserhöhung bei allen Versorgern erst in der Mitte, im letzten Absatz oder auf weiteren Seiten oder Anlagen angesprochen. Der erste Absatz lenkt oft mit völlig anderen Informationen vom eigentlichen Inhalt des Schreibens ab.

  • Nur bei 14 Versorgern war bereits auf der ersten Seite erkennbar, dass es sich um ein Erhöhungsschreiben handelt.
  • 17 Versorger – also über die Hälfte – machten es ihren Kunden schwer, das Schreiben als Erhöhungsschreiben zu erkennen:  
    • Bei 8 Unternehmen war die Preiserhebung erst auf Seite zwei oder erst in den Anlagen erkennbar.
    • Bei 9 Unternehmen war die Erhöhung im Fließtext eingebaut. Man muss diese Schreiben also sehr aufmerksam lesen, um überhaupt die relevanten Informationen zu finden.

3.    Ist das Sonderkündigungsrecht enthalten?

Noch wichtiger für Verbraucher ist die Pflichtangabe des Sonderkündigungsrecht, auf das deutlich hingewiesen werden muss. Verbraucher können bei einer Preiserhöhung unabhängig von der vereinbarten Vertragsdauer außerordentlich kündigen (StromGVV § 5 Abs. 3, EnWG § 41 Abs. 3).
Fakt ist: Die Mehrheit der Energieversorger zeigt sich sehr kreativ beim Verstecken des Hinweises auf das Sonderkündigungsrecht. Vielfach wird erst auf der Rückseite oder einem Beiblatt auf das außerordentliche Kündigungsrecht verwiesen oder der Hinweis wird unauffällig im Fließtext eines Schreibens erwähnt. Manche Unternehmen machen beim Sonderkündigungsrecht falsche Angaben.  

Die Auswertung im Einzelnen

Okay
Vier Unternehmen platzierten das Sonderkündigungsrecht ordentlich auf der ersten Seite des Anschreibens.

Bedingt okay
Elf Unternehmen nennen das Sonderkündigungsrecht auf der zweiten Seite oder einem Zusatzblatt (Anlage). Manche heben das Sonderkündigungsrecht durch textliche oder grafische Gestaltung hervor, so dass es schneller erfassbar ist.

Grenzwertig

  • Vier Versorger verstecken den Hinweis in einer Fußnote in kleiner, kaum lesbarer Schrift.
  • Drei Versorger verstecken den Hinweis im Fließtext.

Nicht in Ordnung

  • Drei Versorger verschleiern das Recht der Sonderkündigung gänzlich.
  • Ein Versorger hatte in seinem Schreiben überhaupt keinen Hinweis zum Sonderkündigungsrecht. Damit war sein gesamtes Preiserhöhungsverlangen unwirksam. Er korrigierte das Erhöhungsschreiben später. Somit verschob sich die Preiserhöhung um einen Monat.

Komplett falsche Angaben
Fünf Unternehmen machen rechtlich falsche oder irreführende Angaben zum Sonderkündigungsrecht – sie stützen den Hinweis zum Sonderkündigungsrecht auf eine falsche Anspruchsgrundlage oder machen verwirrende Angaben zu den Rechten der Verbraucher.

Tipp an Verbraucher: Sonderkündigungsrecht nutzen
Überprüfen Sie, ob das Preiserhöhungsschreiben deutlich auf Ihr Sonderkündigungsrecht hinweist. Fehlt ein Hinweis bzw. ist der Hinweis nicht erkennbar, ist das gesamte Preiserhöhungsverlangen unwirksam. Der alte Tarif gilt damit weiter. Überzahlungen können zurückgefordert werden. Falls der bestehende Vertrag durch die Erhöhung teuer und damit unattraktiv wird, können Sie bis zum Tag vor der Preiserhöhung (Posteingang beim Energieversorger) schriftlich außerordentlich kündigen.

4.    Ist die Erhöhung begründet?

Energieunternehmen müssen Preiserhöhungen laut Gesetz begründen. Dem kamen die Schreiben zwar nach, allerdings lassen sich die meisten Begründungen für Verbraucher nicht nachprüfen.

Alle Energieversorger nannten die Erhöhung der Einkaufspreise (Beschaffungspreise) als Grund für ihre Preiserhöhungen – zumindest in einem kurzen Satz oder Absatz.

Höhere Bruttostrompreise kaschieren massive Preiserhöhungen

Ausführlicher stellten die Anbieter die Entwicklung der staatlich indizierten Preisanteile des Bruttostrompreises dar. Sie erwecken so bei ihren Kunden den Anschein, dass erhöhte Preisbestandteile automatisch zu erhöhten Strompreisen für die Kunden führen müssen. Die sogenannte „Staatsquote“ ist dabei ein willkommenes „Feigenblatt“, um sogar höhere oder teils massive Preiserhöhungen zu kaschieren.

Netzentgelte steigen - wirklich?

Interessant ist auch die ausführliche Darstellung der erhöhten Netzentgelte. In etwa der Hälfte der Preiserhöhungsschreiben erklären die Anbieter pauschal: „Im Übrigen steigen die Netzentgelte an“. Die allgemeine und pauschale Darstellung von steigenden Strompreisen hat für Verbraucher keinen großen Mehrwert. Nur in wenigen Fällen bezeichnen die Unternehmen die Erhöhung konkret. Wertlos ist der Hinweis immer dann, wenn prozentuale Steigerungen ohne zeitliche Einordnungen angegeben werden. Auch haben Verbraucher keinen Einblick in die Vertragsgestaltung der langfristigen Stromeinkaufsverträge der Anbieter. Welche Margen preislich möglich wären, lässt sich nicht erkennen. Dabei ist zumindest fraglich, warum etwa die Hälfte der Preiserhöhungsschreiben von einem Steigen der Netzentgelte ausgeht. Der in Baden-Württemberg wohl größte Stromanbieter EnBW erwähnt in seinen Schreiben zum Beispiel keine Erhöhung der Netzentgelte. Die Netze BW GmbH, ein Unternehmen der EnBW, veröffentlichte am 05.10.2018 die vorläufigen Netzentgelte für 2019. In der Pressemitteilung erklärte das Unternehmen: „Im Strombereich sinken die Netzentgelte für den typischen Haushaltsanschluss um rund 5%. … Im Gasnetz gehen die Netzentgelte für die Haushaltskunden leicht zurück…“

Die Entwicklung der EEG-Umlage als Stromkostenbestandteil wurde in der Regel richtig dargestellt: Die Kosten haben sich seit zwei Jahren leicht reduziert.

 

Zusammengefasst

Die bisherigen gesetzlichen Vorgaben sind nach Ansicht der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nicht ausreichend, um Energieversorger zu transparenten Preiserhöhungsschreiben zu bringen. Unsere Auswertung zeigt, dass viele Unternehmen versuchen, die Preiserhöhungen zu verschleiern.

Um die Erkennbarkeit von Preiserhöhungsschreiben zu verbessern, sollten folgende Forderungen umgesetzt werden:

  • Deutlicher Hinweis im Betreff auf die Preiserhöhung mit einer eindeutigen Betreffzeile. Die Betreffzeile ist vor allem für Online-Verträge unverzichtbar.
  • Transparente Infos über die Preiserhöhung am Anfang der Mitteilung/auf der ersten Seite.
  • Gegenüberstellung von altem und neuem Preis in schnell erkennbarer, grafisch gelayouteter Form auf der ersten Seite - zum Beispiel in einer Tabelle.
  • Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht mit deutlicher grafischer Hervorhebung auf der ersten Seite.
  • Obige Forderungen sollten in einem gesetzlich standardisierten Erhöhungsschreiben verbindlich geregelt sein, denn Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht auf transparente und verständlich kommunizierte Preise:
  • Für Verträge in und außerhalb der Grundversorgung sollten gleiche Auskunftsregeln bei Preiserhöhungsschreiben gelten. Bisher sind diese unterschiedlich gestaltet in § 5 StromGVV und § 41 Abs. 3 EnWG.
  • Auch verpflichtet zum Beispiel der § 5 Abs. 2 Satz 2 StromGVV die Grundversorger, einzelne Bestandteile des Gesamtstrompreises detailliert aufzulisten - diese Auskunft sollten auch Kunden außerhalb der Grundversorgung erhalten können.

 

Setzen Sie uns in Kenntnis, wenn Sie in Ihren Schreiben keinen Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht finden oder die Preiserhöhung für Sie nicht verständlich und nachvollziehbar aus dem Schreiben Ihres Energieversorgers hervorgeht.

Wir danken allen Verbrauchern für Ihre Mitarbeit! Dank Ihrer Mithilfe können wir die Interessen von Verbrauchern gegenüber Unternehmen vertreten.


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