Kostenloses Online-Seminar "Durstlöscher Wasser – Aus der Leitung oder der Flasche?“ am 3. April um 18 Uhr. Jetzt hier anmelden und bequem von zuhause aus teilnehmen. 

Position zu "Immobilienrente"

Stand:
Unsere Position zur Immobilienrente
Off

Verbraucher:innen, die Eigenheimbesitzer:innen sind, werden auch Finanzprodukte angeboten, die den Vermögenswert des Eigenheims bei Renteneintritt der Eigenheimbesitzer:in in ein Zusatzeinkommen umwandeln. Für diese Produkte hat sich der Begriff „Immobilienrente“ etabliert. Der Begriff Immobilienrente ist gesetzlich jedoch nicht definiert.

Im Folgenden bezieht die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zum Handel mit Immobilienrenten Position.

1. Komplexität des Marktangebots

Mit der Übertragung der Immobilie auf den Anbieter einer Immobilienrente verfolgen Verbraucher:innen in der Regel das Ziel, eine einmalige und/oder lebenslange zusätzliche monatliche Zahlung zu erhalten, ohne aus ihrem Eigenheim ausziehen zu müssen. Die am Markt erhältlichen Angebote, die diesen Bedarf adressieren, zeichnen sich durch eine hohe rechtliche Komplexität aus. Zielgruppe sind Verbraucher:innen, die das Eigentum an ihrer eigenen Immobilie aufgeben wollen oder müssen, um damit ihren Lebensunterhalt im Alter bestreiten zu können. In der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg waren entsprechende Angebote im laufenden Kalenderjahr 2022 (Stand 11/2022) insgesamt 41 Mal Gegenstand von Anfragen oder Beschwerden durch Verbraucher:innen. In der Hälfte der Fälle war der Grund der Anfrage die für Verbraucher:innen nicht erkennbare Qualität der Dienstleistung. Die übrigen Fälle teilen sich auf in solche, bei denen Verbraucher sich über die Sicherheit der Produktangebote erkundigen und solche bei denen Verbraucher:innen zur Bewertung der Empfehlungen der Vermittler Rat einholen. Die Fälle zeigen auf, dass die Produkte sich aus der Perspektive der Verbraucheri:nnen einer Bewertung einziehen. Es handelt sich bei der Immobilienverrentung um ein Produkt mit Vertrauenseigenschaften. Die wird auch durch eine Marktuntersuchung der Stiftung Warentest (Ausgabe 12/2022) bestätigt und zeigt zudem, dass die Informationsasymmetrie von den Verkäufern ausgenutzt wird: „Unterschiedlich und oft dürftig waren die Darstellungen zu Kosten, Gebühren, Rechten und Pflichten. Unsere Rechnungen zeigten: Bei Anbietern wären hohe Margen hängen geblieben, Vermittler kassieren Provisionen in ähnlicher Höhe wie bei anderen Immobiliengeschäften. Irritierend: Ein Mustervertrag oder Vertragsentwurf wurde keiner unserer Testpersonen vorgelegt - egal, wie hartnäckig sie danach fragten. Das habe Zeit bis kurz vor dem Notartermin, bekamen sie etwa zu hören“.

2. Gestaltung des Marktangebots

Anbieter vertreiben die Immobilienrente prinzipiell in zwei unterschiedliche Vertragsformen: Zum einen als Verkauf und zum anderen als Beleihung. Beide Vertragsformen können jeweils verbunden sein mit weiteren Rechtsgeschäften (u.a. auch der Vermittlung weiterer Geldanlage- oder Versicherungsverträge):

  • Verkauf
    • Verkauf zu Marktpreis gegen Einmalzahlung und Rückanmietung bzw. Sale and Lease Back 
    • Verkauf mit Preisabschlag unter gesonderter Einräumung von Rechten (Wohnrecht, Nießbrauchsrecht) gegen Einmalzahlung, zeitlich befristeter Rentenzahlung oder einer Kombination aus alldem
    • Teilverkauf zu Marktpreis gegen Einmalzahlung und Verpflichtung des Verbrauchers zur Leistung von sogenannten Nutzungsentgelten (möglicherweise unter Umgehung des Darlehensrechts)
  • Beleihung
    • Beleihung gegen Kreditgewährung in Form von monatlichen Kreditauszahlungen (Umkehrhypothek),
    • Beleihung gegen Einmalauszahlung,
    • Beleihung gegen Kreditlinie,
    • oder einer Kombination aus alldem. Zum Teil jeweils mit oder ohne Tilgungsoption.

Die Vertragsformen unterscheiden sich in etlichen für Verbraucher:innen wesentlichen Merkmalen. Hierzu zählen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Zeitpunkt vorvertraglicher Informationspflichten: keine, „rechtzeitig“ vor Vertragsschluss, 14 Tage vor notariellem Kaufvertrag.
  • Umfang vorvertraglicher Informationspflichten: standardisiert nur bei Verbraucherdarlehens- und Versicherungsvertragsangeboten
  • Widerrufsrechte: keine, 14 Tage nach Vertragsschluss (Verbraucherdarlehen), 30 Tage nach Vertragsschluss (Versicherungsvertrag)
  • Form der Zahlung: einmalig, monatlich zeitlich begrenzt, monatlich lebenslang, mit bzw. ohne Dynamisierung
  • Schutz gegen Insolvenz: kein gesonderter Schutz, Absicherung mittels Grundpfandrecht, Absicherung über Protektor (nur bei Leibrente eines Versicherers)
  • Eigentümerwechsel: vollständige Eigentumsaufgabe, teilweise oder keine Ei-gentumsaufgabe
  • Folgekosten: zeitlich befristet feste oder vollständig variable Zinszahlung, zeitlich befristet festes oder variables (u.a. von Inflationsrate abhängiges) Nutzungsentgelt, feste oder variable Miete, ggf. weitere Folgekosten bei späterem Verkauf oder Rückkauf
  • Pflicht zur Instandhaltung: Verbraucher, Anbieter oder anteilige Zurechnung
  • Rechte bei Auszug (etwa ins Pflegeheim): keine bei Wohnrecht, anderweitige Nutzung bei Nießbrauchsrecht, ggf. Ausgleichszahlung sofern vereinbart
  • Steuerrechtliche Folgen: abhängig vom jeweiligen Angebot unterschiedlich (Ertragsanteilsbesteuerung, Spekulationssteuer, ggf. weitere)
  • Risikoverteilung bei Wertänderungen: einige Anbieter wälzen Wertminderungs-risiken auf Verbraucher ab oder vereinbaren feste Aufpreise bei einem späteren Rückkauf (sichere Gewinnmargen)
  • Adverse Selektion: Angebote zum Teil nicht für Objekte aus dem ländlichen Raum.

Verbindliche Vorgaben für die Vermittlung dieser Produktmerkmale existieren nicht. Welche der Vertragsformen tatsächlich einem individuellen Bedarf der Verbraucher:innen entspricht, hängt vom Einzelfall und der konkreten Ausgestaltung ab.

Aufgrund der fehlenden verbindlichen Vorgaben/Standardisierung lässt sich jedoch die zentrale Frage, ob und welches Angebot der Immobilienverrentung sich „lohne“ nicht so einfach beantworten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung für oder gegen eine Immobilienrente ist die Wirtschaftlichkeit der Offerten ungewiss. Sie kann nur unter Festlegung von Annahmen (Wertentwicklung, Wertansatz eines Wohnrechts bzw. Nießbrauchsrechts, Instandhaltungskosten, Zinsentwicklung, Lebenserwartung etc.) geschätzt werden. Ob diese Annahmen realitätsnah sind, ist zum Zeitpunkt der Schätzung ebenfalls ungewiss.

Aus Perspektive der Verbraucher:innen kann die Form der Zusatzrente je nach Ausgestaltung dem Risiko des Ausfalls ausgesetzt sein, lediglich bei Leibrenten aus Versicherungsverträgen gibt es einen besonderen Sicherungsfonds (Protektor). Im Übrigen existieren auch keine gesetzliche Bestimmungen, die den Anspruch der Verbraucher:innen an der Immobilienrente gegen die Insolvenz des Anbieters absichern. Einige Anbieter versprechen zwar die Rechtsposition der Verbraucher:innen durch eine Grundschuld abzusichern, allerdings ist die Durchsetzung derartiger Ansprüche langwierig, was gerade für Verbrau-cher:innen ein Problem darstellt, die sich für den Immobilienverzehr entscheiden, weil sie die Rentenzahlung für den Lebensunterhalt benötigen.

3. Fazit und Forderungen

Bei den Angeboten der Immobilienverrentung handelt es sich um Vertrauensgüter. Ihre Eigenschaften bzw. die Bedarfsgerechtheit sind für Verbraucher:innen weder vor noch nach dem Kauf am Produkt selbst verifizierbar. Aufgrund der Informationsasymmetrie haben Anbieter allerdings einen Anreiz zu opportunistischem Verhalten, den sie aktuell auch ausnutzen. Die Gefahr dieser systematischen Benachteiligung kann nur durch gesetzliche Regelungen zur Kennzeichnung und Überwachung überwunden werden. Folgende verbindliche Vorgaben sind daher gesetzlich festzulegen. Diese Vorgaben sollten sich auf alle Produktvarianten der Immobilienverrentung erstrecken, also sowohl für Varianten des Verkaufs wie auch für Varianten der Beleihung durch Darlehensgewährung.

  • Regulierung der Beratung: Bedarfsexploration, Beratungsdokumentation, Qualifikation der Anbieter von Beratung, Beaufsichtigung der Beratung durch die BaFin.
  • Informationspflichten vorvertraglich
    • Wesentliche Produkteigenschaften, die für eine selbstbestimmte informationsgeleitete Entscheidung notwendig sind, ergänzt um eine
    • Musterrechnung bis zum 90. Lebensjahr. Diese Rechnung stellt die Leistungen des Anbieters sowie Ansprüche gegen den Anbieter, zu zahlende Entgelte sowie zu tragende Pflichten bis zum 90. Lebensjahr gegenüber, jeweils für drei Szenarien der Wertentwicklung des Objekts (gleichbleibender, sinkender, steigende Immobilienwert)
  • Informationspflichten nachvertraglich
    • Entwicklung des Immobilienwertes anhand von Bodenrichtwerten
    • Bezahlte Entgelte im vergangenen Kalenderjahr
  • Widerrufsrechte.
Hände mit Geldbörse und Taschenrechner von Rechnungen

GASAG-Verhandlungstermin: Gericht stellt sich auf Seite der Verbraucher:innen

In der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2025 ließ das Kammergericht erkennen, dass es die Tarifspaltung der GASAG im Winter 2021/22 für unzulässig hält. Eine Entscheidung wird voraussichtlich bald verkündet.
Hände mit Geldbörse und Taschenrechner von Rechnungen

Musterfeststellungsklage gegen GASAG AG

2. Dezember 2021: Kunden:innen der GASAG in der Grund- oder Ersatzversorgung mit Gas zahlten vor diesem Datum 6,68 Cent pro Kilowattstunde. All jene Verbraucher:innen, bei denen der Belieferungsbeginn zwischen dem 2. Dezember 2021 und dem 30. April 2022 lag, zahlten mehr als 18 Cent. Der Tarif für Bestandskund:innen blieb wesentlich günstiger. Davon betroffen sind zehntausende Verbraucher:innen. Für sie kann sich der Preisunterschied schnell auf hunderte von Euro summieren und existenzbedrohend sein. Der vzbv hält das „Zweiklassensystem“ der GASAG für unrechtmäßig und will mit der eingereichten Musterfeststellungsklage den Betroffenen helfen.
Fernbedienung wird auf Fernseher gerichtet

Unrechtmäßige Gebühren auf service-rundfunkbeitrag.de: Sammelklage eröffnet

Nach einer Abmahnung kündigten die Betreiber von www.service-rundfunkbeitrag.de an, unrechtmäßig erhobene Gebühren zurückzuzahlen. Dies ist jedoch in vielen Fällen nicht geschehen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat eine Sammelklage eingereicht. Betroffene können sich jetzt für die Klage anmelden.
Zwei übereinander liegende Aktenordner, einer mit der Aufschrift Insolvenz, einer mit Insolvenzverfahren

Sachversicherer Element Insurance: Insolvenzverfahren ist eröffnet

Das Amtsgericht Charlottenburg hat am 1. März 2025 das Insolvenzverfahren gegen die Element Insurance AG eröffnet. Damit entfällt zum 2. April 2025 der Versicherungsschutz der meisten Verträge, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf. Was das für Kund:innen bedeutet, erfahren Sie hier.
Schmuckbild

"Gesunde Kinderlebensmittel": Zu viel versprochen?

Aldi Süd und Lidl bieten bisher kaum verbesserte Kinderlebensmittel an