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"dürfen die das?" Podcast: Dr. med. von und zu Fake (1/6)

Stand:
Verlustreiche Gewinnspiele, falsche Prominente und leere Versprechen im ersten Teil unserer neuen Podcastreihe "dürfen die das?" rund um unseriöse Influencer und Onlinewerbung.
Logo des Podcasts "dürfen die das?" neben Illustration eines Smartphones, in dessen Kameraline ein Kopfhörer zu sehen ist.
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Fake-Gewinnspiele, Fake-Angebote, Fake-Prominente — und warum wir ihnen auf dem Leim gehen

In unserer ersten Themenreihe im Podcast dürfen die das? dreht sich alles um die Welt der Onlinewerbung. Und wo könnte diese akustische Spuren- und Erkenntnissuche besser beginnen als in sozialen Netzwerken wie Facebook und YouTube? Immerhin wollen dort seit Jahren ganz besonders viele Abzocker und falsche Freunde an unsere Daten und unser Geld.

Diesmal mit den Expert:innen Andre Wolf (mimikama – Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch) und Angela Clausen (Verbraucherzentrale NRW). Moderation & Produktion: Patrick Lohmeier (Verbraucherzentrale Berlin).

dürfen die das? wird gefördert durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags.

Wir freuen uns über Lob, Kritik und Themenwünsche per E-Mail an podcast@vz-bln.de. Weitere Informationen zum Podcast und alle Episoden finden Sie unter verbraucherzentrale.de/dddpodcast.

 

Quellen:



 

Ganze Folge zum Nachlesen

Hier klicken, um das Transkript zu öffnen...

[CLIP]

Patrick Lohmeier:
[0:18] Okay, stopp. Um mal gleich die Luft aus dem sprichwörtlichen Ballon zu lassen. Nein, das war nicht Schauspielerin Uschi Glas, die uns hier ein Arzneimittel verkaufen möchte. Aber wenn ich jetzt meine Brille abnehme und in diesem Clip, der vor einiger Zeit durch soziale Netzwerke geisterte, nun genau ein Mittelchen gegen das Leiden, das mich schon seit Monaten oder Jahren quält, angeboten würde, vielleicht wäre ich dann willens, über meine Zweifel an der Echtheit dieses Werbevideos hinwegzusehen, wer weiß. Ich sage mal, im besten Falle sind Werbebotschaften, egal ob im Internet oder auch anderswo, echt genug. Will heißen, sie sind zumindest anteilig wahr und lügen mir nicht geradewegs ins Gesicht. Und der Rest ist Glaube und Hoffnung, dass mich der Hersteller oder der Influencer meines Vertrauens schon nicht allzu wild anschwindeln wird. Denn gebenedeit sei die Marke oder das Produkt, das mein Leben besser macht.

Patrick Lohmeier:
[1:18] So, ist jetzt auch gut mit dem Chor. Ich drehe das mal runter und auf Uschi Glas kommen wir später zu sprechen. Ich denke, die Botschaft ist klar. Wir beten alle mehr oder weniger stark ausgeprägt und mit unterschiedlich viel Hingabe am Altar des Konsums. So ist es einfach. Die Frage ist eben nur, sollten wir es tun und warum tun wir das? Und ich nehme mich da überhaupt nicht raus, denn ich bin genauso Konsumopfer wie wir alle. Auch ich bin regelmäßig machtlos gegen vielversprechende Werbeanzeigen oder ein schnell geklicktes Online-Gewinnspiel. In dieser Reihe möchte ich mich den Fragen, den Mythen und auch den Vorurteilen rund um Online-Werbung stellen und zwar auch kritisch, selbstkritisch stellen. Denn wie oft sagt man sich selber, ach, ich falle darauf schon nicht rein, ich vertraue den richtigen Menschen, den richtigen Marken, den richtigen Unternehmen. No way.

Patrick Lohmeier:
[2:12] In den kommenden Folgen spreche ich mit gestandenen Expertinnen und Experten zum Thema Online-Werbung und zwar zu allen möglichen Aspekten. Wir sprechen über Nahrungsergänzungsmittel ohne Gesundheitsbonus. Wir sprechen über Glaskugeln zum Apothekenpreis, über Gewinnspiele, die nur Verlierer haben, Influencer ohne Gewissen, Influencer, die es gar nicht gibt. Und wir sprechen über James Bond und warum der nicht nur Martini trinkt und Fußballer mehr als Nussnougat-Creme futtern. Und warum wir uns auch über schlechte Nachrichten im News-Portal freuen sollten. Eine Sache noch, nämlich apropos schlechte News, beziehungsweise ein Spoiler für den weiteren Verlauf dieser Podcast-Reihe: Wir sind alle nur Menschen und damit manchmal auch machtlos gegen die Tricks der Werbeindustrie, die unser Mitgefühl, unsere Bedürfnisse und Sehnsüchte gezielt gegen uns verwendet. Und einfach das, um uns mehr zu verkaufen, als gut für unser Bankkonto oder unsere Psychohygiene ist. Aber das Wissen um die Köder und Spielchen und die Phrasendrescherei der Online-Werbung hilft. Unser Verstand kann uns schützen. Er ist unsere wirksamste Waffe. Und den lassen wir uns jetzt mal schön schärfen. Mein Name ist Patrick Lohmeier von der Verbraucherzentrale Berlin. Dieser Podcast heißt "dürfen die das?" und der Titel der ersten Folge lautet Dr. von und zu Fake. Okay, ich brauche ein besseres Marketing-Team.

Andre Wolf:
[3:36] Da kann man alles Mögliche machen. Und deswegen ist das toll. Facebook bedient auch exakt eine Generation, die diese Gewinnspiele liebt und auch davon ausgeht, dass man was gewinnen kann. Die Generationen 40 bis 60 oder gar älter, die einfach sagen, ja, ist doch nichts passiert. Meine Güte, man kann ja mal mitmachen. Hoffen kann man ja.

Patrick Lohmeier:
[3:53] Alle Cookies akzeptieren.

Andre Wolf:
[3:55] Ja, ja, genau. Die jüngere Generation geht mit dem Netz schon wieder ganz anders um. Die denken gar nicht so weit, dass sie was gewinnen können. Die haben vielmehr die Probleme mit Influencern auf einer ganz anderen Ebene.

Patrick Lohmeier:
[4:10] Das war Andre Wolf und okay, ich habe mich mit diesem Podcast-Format natürlich der bedingungslosen Aufklärung und Transparenz verschrieben, noch Ehrlichkeit und deswegen möchte ich auch ehrlich sein, gleich zu Beginn. Als ich mich vor ein paar Monaten zum ersten Mal gedanklich mit dem Thema unlautere, unseriöse oder gar gesetzeswidrige Online-Werbung rumschlug, dachte ich zuerst an Facebook. Weil da sitzt sie doch. Da sitzt sie doch die komische Werbung. Die T-Shirts, auf die man nicht klicken sollte. Die personalisierten Kaffeetassen, die man lieber nicht bestellen sollte. Die Fake-Produkte, die es angeblich zu gewinnen gibt oder für einen kleinen Preis zu kaufen gibt. Und Andre Wolf von Mimikama, der sich hauptberuflich und hauptamtlich und seit vielen Jahren mit gerade diesem Thema auseinandergesetzt und anderen Aspekten rund um Fake News im Internet und sozialen Netzwerken, der hat mir das genauso bestätigt. Aber es ist viel komplexer und gewitzter und trickreicher, als man so denkt. Und wer immer noch so diese diffuse Vorstellungen im Kopf hat, von wegen so, "Ja, darauf fallen doch nur meine Eltern oder Großeltern rein. Ich bin davor gefeilt. Also mir kann das gar nichts." Der oder die sollte vielleicht Andre jetzt mal ein paar Minuten zuhören. Hi Andre, schön, dass du Zeit für mich hast.

Andre Wolf:
[5:30] Ja, sehr gerne. Servus, grüß dich.

Patrick Lohmeier:
[5:32] Ich würde soweit gehen und behaupten, dass kein Mensch, der sich auch nur ansatzweise für das Thema Fake News im Internet interessiert, an eurer Arbeit vorbeikommt. Dennoch für die paar Menschen, denen das gelungen ist in den letzten Jahren, erzähl doch mal bitte, was ihr bei Mimikama, was euer Verein so tut.

Andre Wolf:
[5:51] Ja, natürlich. Zu meiner Person. Mein Name ist Andre Wolf. Ich arbeite für den Verein Mimikama und der Verein Mimikama ist ein Verein gegen Internetmissbrauch, gegründet 2011 in Wien von meinem Kollegen Thomas Wannmacher. Die ursprüngliche Intention des Vereins war, Menschen zu helfen, die sich bei Facebook verklickt haben. So einfach kann man das sagen. Deswegen hieß das ursprüngliche Projekt auch "zuerst denken, dann klicken". Sprich, es ging um Phishing-Fallen auf Facebook, es ging um Abo-Fallen, die dort lauern, wenn man irgendwo anklickt und dann Probleme hat, weil es zu dem Zeitpunkt niemanden gab, der einfach geholfen hat. Und da war Mimikama da. Wir haben sehr schnell gemerkt, das harmoniert alles und sind dann den nächsten Step gegangen und haben gesagt, okay, wir betreiben das jetzt wirklich großflächig zu allen Themen im Netz, die Menschen betreffen. Auch zum Thema Desinformation, das war nämlich etwas ganz Neues zu der Zeit. Das, was auf Social Media ist, ist vorgedrungen in unseren täglichen Alltag bis hin in die Politik, sodass Menschen viel Beratung dazu brauchen. Und da stehen wir im Moment, dass wir halt gesagt haben, okay, wir machen klar diese klassischen Faktencheck-Geschichten, aber auch auf der anderen Seite die Bildungsinhalte und vermitteln die und gehen mit Menschen wirklich in Kontakt. Und das macht immens Spaß, muss ich sagen.

Patrick Lohmeier:
[7:02] Ich möchte zuerst über Fake-Gewinnspiele mit dir sprechen. Und das war ehrlich gesagt auch so meine Entstehungsgeschichte für dieses Podcast-Konzept. Ich habe da diese tolle Gewinnspiel-Anzeige gesehen für ein Gewinnspiel von Lidl, tolles Wohnmobil, auch die Anzeige, absolut authentisch wirkend. Und es dauerte relativ lange bei dieser Klickstrecke, bis ich dann merkte, okay, ich bin auf einer ganz komischen Seite, OnlineMarketing3000.com oder so, Wumms, gelandet und da will ich eigentlich gar nicht sein und ich gebe da gerade meine Daten ein, jetzt ist aber Schluss. Jetzt lese ich bei euch noch und nöcher, sowas gibt es noch viel häufiger, glaube ich, als bei YouTube, bei Facebook.

Andre Wolf:
[7:38] Also diese Fake-Gewinnspiele gibt es wirklich schon seit Ewigkeiten. Die lassen sich ganz toll an den Klassikern erklären, weil da liegen die Ursprünge. Also Fake-Gewinnspiele auf Social-Media-Plattformen, egal welche, laufen immer in drei Stufen ab. Die erste Stufe ist der sogenannte Köder. Das ist das, womit das mehr schmackhaft gemacht werden soll, dass ich Lust habe, daran teilzunehmen. Und hier werden grundsätzlich immer hochwertige Produkte versprochen, die man auf einfache Art und Weise bekommt.

Andre Wolf:
[8:04] Der zweite Schritt ist die sogenannte Brücke. Da wird mir grundsätzlich immer versprochen, dass ich dieses Produkt bekomme und schon bekommen habe, wie auch immer. Und der dritte Schritt ist die eigentliche Falle. Und die kann variabel sein. Schauen wir auf den ersten Teil, den Köder. Der ist nämlich das Tollste vom Ganzen. Ursprünglich war das, Apple hat 10.000 iPhones, die nicht mehr verkauft werden können, weil falsch verpackt worden sind. Und die müssen jetzt verlost werden. Damit fing alles damals an. Samsung Galaxy, Sonderverlosung, weil falsch verpackt. Und was nicht alles. Da wurden dann Paletten mit Smartphone-Verpackungen gezeigt, du musst nur drunter kommentieren, liken und teilen nichts. Und das haben Menschen gemacht zu Abertausenden. Das waren teilweise Hunderttausende, die daran teilgenommen haben. Irgendwann haben sich diese Produkte entwickelt. Die Menschen haben gemerkt, halb die Sache mit den iPhones, das ist Quatsch. Und das waren so Trigger. Sobald iPhone-Verlosung gelesen wurde, haben sie abgeschaltet. Also musste das Ganze angepasst werden. Und diese Menschen, die diese Fake-Gewinnspiele betreiben, die sind nicht dumm. Die schauen, was ist gerade wichtig. Im Frühling, also Spätwinter, Anfang Frühling, viele Menschen denken an Urlaub, wollen endlich raus. Da kommen dann auf einmal die hochwertigen Wohnmobile.

Patrick Lohmeier:
[9:14] Also dieser saisonale Aspekt ist schon ganz wichtig.

Andre Wolf:
[9:16] Der ist immens wichtig. Wir reden dort von anlassbezogenen Falschmeldungen auch generell. Also immer das, was gerade plausibel wirkt, das wird auch versprochen. Das ist auch bei Falschmeldungen grundsätzlich so. Wenn etwas plausibel wird, nimmt man das gerne an. Deswegen Wohnmobile gibt es nur zu einer bestimmten Jahreszeit zu gewinnen, kann man ganz klar sagen. Aber wichtig ist, es müssen hochpreisige Produkte sein. Dann muss die Teilnahme sehr hürdenlos sein. Am besten nur mit einem Begriff kommentieren. Mittlerweile sind die auch so klug, dass sie bestimmte Befehle geben, beispielsweise "@Highlight". Warum? Das ist ein Facebook-interner Befehl, wo das allen Freunden angezeigt wird. Das heißt, wenn ich in den Kommentaren mit "@highlight" kommentiere, wird das bei all meinen Freunden als kleine rote Zahl angezeigt. In diesem Fall, "Andre hat kommentiert" und alle sehen das. Früher musste man teilen, um diese Viralität zu bekommen. Heute nimmt man "@highlight" oder auch teilen. Das heißt, die Hürden werden ganz niedrig gesetzt, aber mit einem Maximum an Output, also so viel Viralität wie möglich. Und das ist das Ziel der ganzen Geschichte, dass so ein Fake-Gewinnspiel verbreitet wird. Alle, die kommentiert haben, kriegen automatisch eine Nachricht geschickt, wo dann drinsteht, zur weiteren Teilnahme hier klicken und dann bin ich auf einer Website irgendwo im Netz. Da bin ich natürlich Freiwild.

Andre Wolf:
[10:36] Was auf dieser Webseite passiert, ist meist immer das Versprechen, du hast gewonnen. "Herzlichen Glückwunsch, du bist Gewinner. Klicke nur fünf Sachen an oder vier Sachen, beantworte drei Fragen oder sonst irgendwas", wie du es eben schon ganz richtig gesagt hast. Man bekommt einen Fragenkatalog, aber man ist nicht auf der Webseite des vermeintlichen Veranstalters. Wie eben aus dem Beispiel, man ist nicht bei Lidl. Auch wenn behauptet wird, optisch, es kann auch Mediamarkt sein, es kann Obi sein, es kann wer auch immer sein. Da werden dann natürlich die Farben der Firma genutzt und die Logos missbräuchlich auch genutzt, muss man dazu sagen.

Patrick Lohmeier:
[11:08] Entschuldigung, dass ich dich unterbreche, aber ich muss ja auch meiner Pflicht als Verbraucherschützer an der Stelle gerecht werden. Ausdrücklich sagen, natürlich bei diesem Fake-Gewinnspiel, das ich angeklickt habe, handeln es nicht um ein offizielles Gewinnspiel von Lidl.

Andre Wolf:
[11:20] Das setzen wir immer voraus, wenn wir über Fake-Gewinnspiele reden und die benutzen, räuberisch, um es mal so darzustellen, wirklich die echten Logos. Man merkt das vielleicht nicht auf den ersten Blick. Die haben eine Seite zusammengebaut, die sieht aus wie die echte Website der Firma, die dort genannt wird.

[CLIP]

Patrick Lohmeier:
[11:46] Das war übrigens die echte Uschi Glas, zumindest im Kino-Trailer ihres Klassikers "Zur Sache, Schätzchen" aus dem Jahr 1968. Worum es hier eigentlich geht, ist aber das eindringliche "Nein!", denn das sollten Sie im Kopf behalten. "Nein!", wenn es darum geht, klicke ich jetzt auf diesen kleinen Videoclip oder auf den Link unterhalb des Videoclips mit der falschen Uschi Glas oder auf dieses Fake-Gewinnspiel bei Facebook. Falls Sie wirklich noch über diesen Klick nachdenken, Andre Wolf sagt Ihnen, wohin der führen kann.

Andre Wolf:
[12:15] Das hat verschiedene Folgen. Da klickt man sich rum und am Ende steht, "Herzlichen Glückwunsch. Nur noch absenden, nur noch hier bestätigen, dass deine Daten verkauft werden dürfen." Beispielsweise. Steht da natürlich ganz klein. Und dann kommt der letzte Teil. Das ist das wirklich Gefährliche. Hier kann es sein, dass ich meine Daten an Datenhändler verkaufe. Das wäre noch das harmloseste, muss ich ehrlich gestehen, obwohl das auch schon schlimm genug ist. Sprich, man kommt anschließend Spam-Nachrichten, ohne Ende, Anrufe ohne Ende. Es kann sein, dass ich auf eine Phishing-Seite hereingefallen bin oder aber, und das ist das Gefährliche, ich rate immer davon ab, sobald man 1,95 Euro überweisen soll für Gebühren oder sonst was, das ist in Wirklichkeit die Bestätigung für ein Abo, das bis zu 80 Euro im Monat kosten kann und da komme ich ganz schwer dann wieder raus. Also das ist wirklich sonderlich gefährlich. Dieser dritte Schritt ist eigentlich das echte Gemeine. Was vorher passiert, ist in Anführungszeichen noch harmlos. Da ist noch nichts geschehen. Da wurde man halt belogen. Aber der dritte Schritt ist das Gefährliche. Wenn man den ausführt, hat man mit irgendwelchen Konsequenzen zu rechnen.

Patrick Lohmeier
[13:17] Funktioniert sowas wie das, was du gerade beschrieben hast, dieser Gewinnspiel-Scam, eigentlich bei Facebook so gut, weil die eben diese Messenger-Funktion integriert haben? Oder gibt es auch noch andere soziale Plattformen, auf denen das eben so gut funktionieren würde?

Andre Wolf:
[13:30] Facebook ist ideal, weil man da so viel macht. Facebook ist ja die eierlegende Wollmilchsau unter den Social-Media-Plattformen. Da kann man alles Mögliche machen. Diese typischen Fake-Gewinnspiele funktionieren bei der Generation 40 bis 60 toll. Warum? Wir kennen das alle noch von früher. Wir haben diese Postkarten ausgefüllt, irgendwo eingeworfen. Wir haben immer schon irgendwas mitgemacht, nur jetzt digital. Und man hofft ja auch nicht. Dass jemand gar nichts erst ausspielt, das sind viele gar nicht gewohnt. Dass jemand echt lügt, sagt, nee, da gibt's nichts, ich zock dich einfach nur ab. Das ist das, was in vielen Köpfen gar nicht angekommen ist. Speziell bei einer älteren Generation, die gelernt hat, dass man halt nicht lügen kann. Ich sag mal, vor 50 Jahren, wenn ich dort auf der Straße an einem Gewinnspiel mitgemacht habe, da stand beispielsweise ein Auto und man muss seine Postkarte durch die geöffneten Seitenfenster reinwerfen, um das Auto zu gewinnen, da konnte man von ausgehen, das Auto wurde irgendeiner Form ausgespielt. Das gibt es heute so nicht mehr im Netz, da kann dir alles passieren.

Patrick Lohmeier
[14:32] Jetzt mal abgesehen davon, dass natürlich alles sehr richtig und wichtig ist, was Andre Wolf von Mimikama da sagt, hat es mich auch ein bisschen erleichtert. So bedrohlich dieses Szenario auch ist, von wegen, was könnte passieren, wenn ich auf so einen Link in einem Fake-Gewinn spiele oder auf einer unseriösen Werbeanzeige klicke. Aber es hat mich so ein bisschen von der Last befreit, dass ich mich allzu schlecht dafür fühle, dass ich es denn getan habe und erst relativ spät gemerkt habe, okay, hier will gerade jemand meine Daten klauen. Als er nämlich darauf hinwies, dass diese Gewinnspiele in Social Networks bei Facebook und auch anderswo, denn ich habe zum Beispiel eines bei YouTube entdeckt, exakt auf meine Zielgruppe, auf meine Altersgruppe zugeschnitten sind, das quasi in meinen Genpool eingebacken ist, generationenabhängig, dass ich auf solche Gewinnspiele, auf solche Gewinnspielverlockungen, Preisverlockungen auch reagiere, ihnen nicht widerstehen kann. Und noch was hat Andre gesagt und das hat mich auf eine ganz andere Spur gebracht. Den Fälschen konnte man ja immer schon im Internet, aber spätestens jetzt besonders gut mit der rasanten Entwicklung generativer künstlicher Intelligenz. Nicht nur Gewinnspiele und Werbeanzeigen, sondern auch Videos und die Menschen darin.

Andre Wolf:
[15:43] Das ist ja auch bei den Fake-Gewinnspielen, ich muss betroffen sein und wenn das meine Promis sind, die ich gut kenne, glaube ich denen letztendlich auch.

Andre Wolf:
[15:49] Also wir merken, es sind im Grunde genommen immer die gleichen drei Steps. Es sind Köder auf Social Media, sei es ein Video, sei es eine Einblendung, ein Fake-Gewinnspiel, eine Seite, wo du hingelotst wirst und am Ende etwas kaufen sollst. Der dritte Schritt, der ein Betrug ist. Also wir haben immer den gleichen Ablauf. Und der wird halt immer fantasievoll und kreativ bestückt.

Patrick Lohmeier:
[16:09] Glaubst du, solche Angebote, genau die bei YouTube aufschlagen, aber eben auch bei Facebook und auch in allen Plattformen, wo man eben auch Videocontent genießen kann, möchte ich mal sagen, in denen zum Beispiel unser ehemaliger Bundeskanzler Olaf Scholz eine erhöhte Rente in Höhe von mehreren Tausend Euro verspricht oder eben Dr. Drosten, der Virologe, jetzt ein ganz tolles Haarwuchsmittel empfiehlt. Ist da auch die Zielgruppe eher älter oder betreibe ich da jetzt krasse Altersdiskriminierung und du sagst, "Ne, ne, das ist für Teenies auch ganz super"?

Andre Wolf:
[16:39] Wir haben ja schon besprochen, dass wir eine Generation haben, die analoger geprägt ist. Und wenn du wirklich gewohnt bist, dass diese Menschen, die immer im Fernsehen waren, die immer im Radio waren, wo vorher die sogenannte Gatekeeper-Funktion, also Journalistinnen und Journalisten, geprüft haben, ob das richtig und ob das relevant ist und dann erst das ausgestrahlt wird, das ist ja heute nicht mehr da. Und wenn du jetzt online auf diese Personen kommst und immer gewohnt warst, dass das, was du von denen gehört hast, eine Relevanz oder Richtigkeit hatte und das weiter darauf anwendest, bist du natürlich in dem Moment in Gefahr. KI kann alles darstellen, was denkbar ist. Das muss nicht real sein. Mittlerweile ist es so weit, dass ich mit KI auch kurze Videoclips mache, die wirklich unwahrscheinlich gut aussehen. Wenn ich dann auf Personen treffe, lassen wir das Alter mal außen vor, auf Personen treffe, die sich nicht vorstellen können, was KI mittlerweile alles kann, auch visualisieren kann, dann habe ich ein leichtes Spiel.

[CLIP]

Andre Wolf:
Ich habe es auch schon angesprochen, Eckhard von Hirschhausen hat ein Produkt beworben. Jede Art von Inhalt im Netz kann manipuliert sein, weil das Bild kann manipuliert werden, der Text kann manipuliert werden. Und damit muss ich immer rechnen. Das heißt, ich muss in der Lage sein, bestimmte Werkzeuge zu nutzen, mit deren Hilfe ich das prüfen kann. Diese Werkzeuge sind jetzt keine Zauberstäbe, sondern Suchmaschinen im Idealfall. Das heißt, wenn ich wirklich etwas sehe, wovon ich nicht weiß, ob das stimmen kann oder nicht stimmen kann, kann ich dann auch per Suchmaschine suchen und dann bekomme ich ein Ergebnis.

Patrick Lohmeier:
[18:40] Nun gut, zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück. Als ich vorhin sagte, wow, man könne ja jetzt nicht nur Texte und Bilder faken, sondern eben auch Videos, dann ist das mitnichten eine Neuigkeit. Wie Andre schon sagt, das ist ein Tool, was im Grunde seit Jahren rumgeistert und sogenannte Deepfake-Videos jetzt auch eine Technik, die man mehr oder weniger gut schon längere Zeit beobachtet. Aber wir können uns glücklich schätzen, dass sie eben noch nicht, zumindest von den meisten Kriminellen, die ja eben auch nicht alle die Allerhellsten sind, aber einige von ihnen eben schon, noch nicht ausreichend perfektioniert ist. Und deswegen fällt man vielleicht auch nicht immer drauf rein. Und ich glaube, darin liegt auch eines der vielen Vorurteile, das ich ja zu Beginn der Podcast-Folge ankündigte und die ich gerne widerlegen möchte. Nämlich, dass ich glaube, viele von uns sich in der Sicherheit wiegen "Ja, mich führen die da nicht an der Nase rum. Ich erkenne sofort, wenn da Prominenter XY sitzt und mir irgendwelchen Humbug erzählt."

Patrick Lohmeier:
[19:36] Und da kommt eben dieser Aspekt rein, den auch Andre zur Sprache gebracht hat, dass bei werblichen Inhalten und unseriösen Gewinnspielen eben auch die Menschen in der Regel an Stellen abgeholt werden in ihren eigenen Leben, an denen sie Bedürfnisse haben, an denen sie Sehnsüchte haben, an denen sie vielleicht auch einfach eine gewisse Not haben und auf etwas angewiesen sind. Ja und an welchen Stellen sind wir besonders empfänglich für unseriöse Online-Angebote, die nur einen Mausklick oder einen Fingertipp auf das Smartphone-Display entfernt sind? Das sind wahrscheinlich die Lebensbereiche Finanzen und Gesundheit, die uns hier alle betreffen und ich meine gerade in diesem Bereich tut ein Schaden, tut eine Notlage am meisten weh und da klickt oder tippt es sich mal ganz schnell, wenn da ein Heilmittel versprochen wird oder probates Mittel gegen eine aktuelle finanzielle Schieflage oder das Versprechen, die Aussicht auf wirtschaftliche Absicherung im Alter. Das versprechen auch gerne mal gefälschte Promis. Wer denn zum Beispiel? Lass mal hören.

[CLIP]

Patrick Lohmeier:
[20:59] Nein, das war sie nicht, oder? Nein, war sie wirklich nicht. Das war nicht Ina Müller, die TV-Moderatorin. Und das hier?

[CLIP]

Patrick Lohmeier:
[21:11] Nein, das war auch nicht YouTube-Promi Knossi. Nein, auf keinen Fall. Und überhaupt sei allen Menschen abgeraten, sich mit Glücksspiel irgendeine finanzielle Stabilität in ihrem Leben zu verschaffen. Aber vielleicht hat Bundeskanzler Friedrich Merz einen guten Tipp für uns. 

[CLIP]

Okay, Spaß beiseite. Auch das war nicht Friedrich Merz. Überhaupt empfiehlt sich ein genaues Hinschauen und ein gesundes Maß an Misstrauen, wenn man solchen Inhalten begegnet. Und wenn es jetzt mal nicht wie in den vorher genannten Beispielen um das Finanzielle geht, sondern um Gesundheit, vielleicht noch viel mehr. Da hat meine Kollegin Angela Clausen von der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen einiges zu berichten.

Angela Clausen:
[21:53] Dass wir gefragt wurden, hört mal zu, also Leute, die durchaus kritisch gegenüber Nahrungsergänzungsmittel eingestellt sind und die uns dann geschrieben haben "Hört mal zu: Ich habe da jetzt gerade ein Interview gesehen mit Dr. von Hirschhausen oder ich habe da ein Interview mit Professor Drosten gesehen. Die haben da irgendwie auch teilweise gemeinsam oder auch einzeln und die haben da in einer Talkshow mit Lanz oder Mioska oder wem auch immer darüber gesprochen, dass sie da jetzt so ein spezielles Produkt zum Abnehmen entweder entwickelt hätten oder gegen Diabetes ist sehr häufig oder Prostatabeschwerden ist sehr häufig, also schon eine andere Zielgruppe, ältere Zielgruppe gerichtet entwickelt hätten und ..."

Angela Clausen:
[22:32] Also das würde ja jetzt angeboten, das ist auch gar nicht so teuer, weil er sagt ja auch, er will das für alle erschwinglich halten und so weiter. "Sagt mal, was ist denn dahinter?" Und dann gucken wir uns das Ganze an und da haben wir tatsächlich festgestellt und das ist dann inzwischen auch deutlich bekannt geworden. Der Dr. von Hirschhausen ist auch gerichtlich mehrfach schon dagegen vorgegangen. Auch die Charité, wo der Professor Drosten arbeitet, ist da gerichtlich gegen vorgegangen. Das sind Fake-Videos. Das sind also Ausschnitte aus früheren Talkshows gewesen, zum Beispiel aus Corona-Zeiten oder auch zu anderen Zeiten, wo diese Persönlichkeiten nun mal eben in Talkshows gewesen sind, interviewt wurden oder so. Und dann wurde denen über KI in ihrer eigenen Sprechform quasi künstlich was völlig anderes hinterlegt. Das heißt, es wird ein ganz anderer Text gesprochen zu dem, was wir da als Bilder sehen.

[CLIP]

Angela Clausen:
[23:46] Das heißt, das sind absolute Fakes. Und die machen Werbung für Produkte. Und ich will nicht sagen, dass diese Produkte gefährlich sind. Sinnvoll sind sie in der Regel auch nicht. Aber wenn sie dazu führen, und das passiert aufgrund solcher Interviews, dass Menschen dann, solcher gefakten Interviews, dass Menschen dann zum Beispiel Therapien abbrechen, dann ist das natürlich höchst gefährlich. Und dem Herr zu werden, ist tatsächlich sehr schwierig, Wenn man sich diese Seiten der Produkte anguckt, die sind alle auf Deutsch. Die sind alle nur auf die deutsche Verbraucherin ausgelegt. Und die sitzen alle nicht hier. Die sitzen irgendwo in den estnischen Ländern, irgendwo in Osteuropa sitzen die Anbieter. Es ist ganz, ganz schlimm. Dem können wir einfach nicht Herr werden. Da können wir immer nur an die Menschen appellieren: Guckt ganz genau, was man euch sagt. Guckt auf das Impressum. Und redet notfalls, bevor ihr irgendwas abbrecht, bitte mit eurer Ärztin oder eurem Arzt.

Patrick Lohmeier
[24:42] Also jetzt klar eine Mutmaßung, aber eben basierend auf Jahren belastbare Erfahrungen, die du gemacht hast: Spielen die einfach auf Zeit, solche Anbieter, und sagen, naja, wir wissen, dass das alles grenzwertig kriminell ist, aber wir versuchen es mal, weil es wird Wochen oder Monate oder Jahre dauern, bis uns jemand auf die Schliche kommt?

Angela Clausen:
[24:57] Ja, und die haben die zweite Internetseite schon direkt parat. Denn die eine wird abgeschaltet, passiert ja tatsächlich manchmal, wenn die Behörden dann...

Patrick Lohmeier:
[25:05] Weil da kann man sich ja nicht raus argumentieren. Also mit "Ich habe zufällig dieses Drosten-Fake-Video gemacht..."

Angela Clausen;
[25:10] Nein, aber die Seite wird einfach direkt, wenn eine Seite abgeschaltet wird, wird die nächste gleich wieder hochgeschaltet. Die Server sitzen irgendwo. Wir haben keine ladefähigen Adressen. Das ist auch mit Zustellungen von Abmahnungen oder sowas sehr, sehr schwierig ist, dass auch die Behörden nicht hinterherkommen. Und natürlich ist das schwer, sind das problematische Verfahren. Wenn hier nicht die deutsche Polizei, deutsche Staatsanwaltschaft zuständig ist, dann sind das einfach unendliche Wege. Wir kennen sowas schon länger, dass eigentlich verschreibungspflichtige Viagra-Pillen problemlos über irgendwelche gefakten Online-Apotheken erhältlich sind oder sowas. Und deswegen kann man immer nur Leuten sagen, wenn ihr solche Sachen über gefakte Seiten bestellt, es kann lebensgefährlich sein. Und das ist eure eigene Schuld. Ihr könntet euch auch mal ein bisschen informieren. Es gibt inzwischen genügend Informationen, dass man nicht über eine Online-Apotheke, die nirgendwo registriert ist, bloß weil sie sich Apotheke nennt, etwas bestellt.

Patrick Lohmeier:
[26:09] Wie ausgeprägt ist das Bewusstsein der Menschen, die sowas bestellen, also Nahrungsergänzungsmittel, Supplements, die von Christian Drosten oder Eckart von Hirschhausen beworben werden? Wissen die oder ahnen die deiner Erfahrung nach, dass das Fakes sind oder gehen die davon aus, das stimmt alles so? Weil ich kenne diese Fake-KI-Videos und die haben immer noch so diesen Uncanny Valley-Effekt. Du guckst die und weißt schon so, es stimmt irgendwas nicht.

Angela Clausen:
[26:35] Ja, es stimmt irgendwas nicht. Deswegen sind die ja manchmal auch ein bisschen unsicher und fragen danach. Aber ich glaube so diesen Blick, den man auch für KI-erstellte Bilder hat, das muss man trainieren. Wenn man sowas häufiger gesehen hat, dann merkt man das. Aber wie häufig ist es auch im Fernsehen, dass die Lippen aus Versehen asynchron sind oder so? Das passiert einfach öfter mal. Und wenn das nur eine gewisse Asynchronität ist, ich weiß es nicht. Aber bei vielen kommt dann in dem Moment, wo sie das Produktpaket haben dann: War das jetzt richtig? Vielleicht kann ich es doch noch zurückschicken. Und dann kommt der Punkt, wo es keine Adresse gibt, wohin ich es hin zurückschicken kann. Bezahlt habe ich schon mal. Oder ich habe keine Rechnung dabei. Ich habe doch nur ein Produkt bestellt, aber ich habe gleich ein ganzes Abo abgeschlossen. Oder man hat mir gleich drei geliefert und statt 30 Euro soll ich jetzt 103 Euro bezahlen. Und da tauchen dann plötzlich die Bedenken oder sowas auf. Wenn die Leute sich, ich sage mal, beschränken würden, dann wirklich nur diese eine Packung schicken würden. Dann würden die Leute wahrscheinlich das gar nicht merken. Aber manche können scheinbar den Hals nicht voll genug kriegen. 

Patrick Lohmeier:
[27:52] Schlagen die weiterhin auf oder ist das jetzt so eine Masche, die ist jetzt auch durch? Und existiert nur noch in irgendwelchen Archiven der Verbraucherzentralen?

Angela Clausen:
[27:59] Ja, es ist unterschiedlich. Also ich habe jetzt letztens nochmal eine Seite zugeschickt geklickt, da hat mein Dienstrechner sofort gesagt, "suspicious", verdächtig, darfst du nicht öffnen. Da muss ich erstmal sehen, wie ich da überhaupt rankam an das Ganze. Es gibt ja auch von den Nachrichtensendern, gibt es ja im Internet auch ihre Seiten, Das war eben so dargestellt wie so eine Internetseite und da lief dann ein Video ab. Das war schon nicht ganz schlecht gemacht.

[CLIP]

Angela Clausen:
[28:48] Also wenn man natürlich mit einem kritischen Blick, "Ich weiß, das ist ein Fake, weil das kann nicht sein, dass da sowas jemals gesagt hat", daran geht, dann sieht man diese Unterschiede. Aber wenn man das so ein bisschen vielleicht auch nicht mehr so gut gucken kann, dann fällt man da glaube ich drauf rein. Vor allen Dingen, weil man eben wie gesagt noch nicht so wirklich gehört hat, dass es solche Fakes gibt. Ich meine, das ist manchmal vielleicht ein bisschen wie der Enkeltrick. Ich habe letztens einen Bericht von einer älteren Dame gelesen, die gesagt hat, ich war mir immer sehr sicher, ich würde auf so einen Trick nicht reinfallen. Und sie ist auf so einen Trick reingefallen.

Patrick Lohmeier:
[29:20] Ich glaube, so dieses Gefühl eines geschützten Raumes spielt eine ganz große Rolle dafür, dass eben solche Werbebotschaften verfangen und eben auch den Glauben geschenkt wird, denen man normalerweise so, wenn es einem jetzt so als Werbeplakat in der Fußgängerzone begegnen würde, die sofort abtun würde mit "Ach, kannst du lange reden, ich glaube dir nicht." Aber wenn es natürlich in einem Facebook-Feed passiert oder in einer Gruppe, wo man sich mutmaßt im digitalen Freundeskreis oder man ist vielleicht auf einer Medienseite von einem großen News-Medium und weiß, ach, die berichten nur seriös. Und dann hat man eben unter einem Artikel diese Kacheln, wo dann eben steht, Markus Lanz empfiehlt folgende Kryptowährung und prominenter XY sagt, das wirkt gegen Haarausfall. Dass man dann eher gewillt ist zu sagen, ja, hier, wenn ich das hier lese oder sehe, kann es nicht so verkehrt sein.

Angela Clausen:
[30:09] Das ist eben der Unterschied zwischen Bild-Zeitung und Apotheken Umschau.

Patrick Lohmeier:
[30:12] Aber auch zur Bild-Zeitung haben ja Menschen großes Vertrauen.

Angela Clausen:
[30:14] Es gibt Leute, die haben da Vertrauen, aber wenn ich in der Apotheken Umschau die Werbung für irgendein Nahrungsergänzungsmittel lese, werde ich dem, glaube ich, noch mal mehr Gesundheitsbezug zusprechen und Seriosität, als wenn ich das in der Bild-Zeitung lese. Und je nachdem wie auch die Seite heißt, die ich aufrufe, wenn die heißt "Apotheke Today" oder "Apotheke Online" oder so, hat das einen ganz anderen Eindruck auf die Menschen. Und wenn ich das dann anklicke und dann wird da erstmal aufgemacht wie ein Fachartikel, ganz genau alles beschrieben und mit irgendwelchen schematischen Zeichnungen, pseudowissenschaftlich aufgemacht, dann hat das erstmal einen seriösen Charakter. Und das ist alles Werbung, das sehe ich in dem Moment, wo ich ganz unten bin und eine Produktempfehlung habe, dann weiß ich, das ist Schrott. Aber vorher muss ich erst mal mich durch vieles durchlesen, auch wenn da erst mal noch keine Quellen stehen oder selbst wenn da manchmal Quellen sind, aber da muss ich ja diese Quellen auch erst mal verstehen und ich muss sie interpretieren können. Und Studien zu interpretieren ist nun mal nicht so einfach.

Patrick Lohmeier:
[31:19] Diese Apothekenirgendwas oder medizinirgendwas.de Webseiten, die Angela gerade erwähnte, die werden uns noch wiederbegegnen in dieser Podcastreihe. Aber die können Sie auch gerne erst einmal abhaken gedanklich, denn Sie erfahren es ja von mir als Erste, wenn es für die Suche nach dem "Was?" und "Wie?" und "Warum?" und "dürfen die das?" rund um unseriöse Online-Werbung wieder eine Rolle spielt.

Patrick Lohmeier:
[31:44] Was ich jedenfalls aus dem Gespräch mit Andre von Mimikama und Ernährungsexpertin Angela Clausen mitgenommen habe, ist, dass manipulierte Anzeigen, Videos, Nachrichten, die mir etwas verkaufen wollen, nur mit diesem eingebauten Vertrauensvorschuss funktionieren. Zum Beispiel, weil sie in meiner digitalen Bubble stattfinden, also in meinem Facebook-Freundeskreis oder in meiner Telegram-Gruppe oder im Channel meiner liebsten Influencerin. Oder eben, weil mir die Werbebotschaft etwas verkaufen will, was genau mir gesundheitlich hilft, bei meinem Leiden. Oder meine Angst bedient, ich könne meine Ersparnisse verlieren oder anderweitig finanziell Schiffbruch erleiden. Und in vielen solcher Fälle hebelt eben unser persönlicher Bezug, unser eigenes Bedürfnis oder eine Sehnsucht, die berechtigten Zweifel an der Echtheit eines Gewinnspiels oder eines solchen Deepfake-Videos aus, in dem uns ein Prominenter mutmaßlich den Weg zu bester Gesundheit oder zu großem Reichtum weist.

Patrick Lohmeier:
[32:43] Ich sagte ja zu Beginn, man müsse mit Vorurteilen im Sinne von "Ich falle auf sowas nicht rein" vorsichtig sein. Und ja, das ist eben auch einfach oft nur menschlich. Genau, wie man aus dem Fernsehsessel heraus glaubt, jede Frage in einer TV-Quiz-Sendung besser beantworten zu können, als die Kandidatin oder der Kandidat. Einfach ganz normal. Genau so denken viele von uns eben auch, wenn sie sich noch nie verklickt haben oder der falschen Online-Persönlichkeit oder einer Marke oder einem Unternehmen Glauben geschenkt haben. "Ach ja, das passiert nur anderen, ich habe da ein Auge für. Mir passiert sowas nicht. Anderen ja, mir nein."

Patrick Lohmeier;
[33:16] Und, Überraschung, selbst häufig anzutreffende Charakterschwächen wie Voreingenommenheit, Neid und Missgunst werden von Online-Betrügern gezielt genutzt, um an Verbraucherdaten zu kommen. In diesem Falle, von dem Andre berichtet, an Daten von sogenannten Wutbürgerinnen und -bürgern.

Patrick Lohmeier;

Die digital-mediale Kompetenz, ich möchte nicht sagen gesamtgesellschaftlich, aber in der Altersgruppe, die Facebook nutzt, das sind jetzt auch keine Teenies, sondern eben überwiegend Menschen mittleren Alters ... hat sich die gebessert?

Andre Wolf:
[33:46] Wir leben in einem stetigen Wandel an dieser Stelle. Das heißt, die Probleme, die vor zehn Jahren da waren, die sind nicht mehr da. Die sind auch teilweise aufgrund von Änderungen und Gesetzen weg. Man kann kritisieren, was man will, aber vieles wurde auch verbessert in dem Bereich. Das heißt, Fallen, die vor zehn, zwölf Jahren da waren, gibt es jetzt nicht mehr beispielsweise. Aber die Themengebiete verändern sich ständig. Das bedeutet, es ist immer irgendwas Neues da. Und da gibt es natürlich auch neue Trittfallen letztendlich. Also im Moment sind wir ja ganz im Bereich der politischen Bildung halt angekommen, dass ganz viel Manipulatives, politisch Manipulatives da ist. Gerade Narrative, die vor zehn, zwölf Jahren überhaupt gar kein Thema waren, wo niemand darüber gesprochen hat. Und da gibt es natürlich neue Einfallstore. Und dann auch im Bereich der wirtschaftlichen Kriminalität. Das heißt, es gibt dann Fake-Gewinnspiele, über die wir schon gesprochen haben oder irgendwelche Projekte, die sich finanzieren wollen, die genau diese Themen aufgreifen, die gerade politisch relevant sind und da ihre Betrugsvariante drauf aufbauen. Basiert dann darauf.

Andre Wolf:
[34:47] Das ist zum ersten Mal aufgefallen in den Jahren 2015, 2016, als viele Flüchtende nach Mitteleuropa gekommen sind, dass beispielsweise Fake-Zeitungen über Flüchtlingskriminalität geschrieben haben. Und wenn man das angeklickt hat, dass dann beispielsweise im Text irgendwo Affiliate-Links oder irgendwelche Fake-Gewinnspiele oder sonst was eingebaut waren, die man dann angeklickt hat, weil man in dem Moment von dem Thema emotional betroffen war. Ich weiß noch ganz genau, da hieß es "Flüchtling gewinnt 50.000 Euro bei Online-Gewinnspiel". Kann ich mich noch ungefähr dran erinnern. Und dann haben alle gesagt "Oh toll, der gewinnt jetzt und ich nicht, da muss ich auch mitmachen." Das waren ja diese Fake-Gewinnspiele.

Patrick Lohmeier:
[35:27] Also da war der Impuls, Entschuldigung, dass ich zwischenfrage, da war der Impuls, auf den spekuliert wurde, tatsächlich ein negativer? Dass man gesagt hat "Ich will das auch, ich gönne das dieser Person nicht, diesem Flüchtling"? In dem Fall, dem Fiktiven natürlich.

Andre Wolf:
[35:39] Genau. Da wird diese Wut-Emotion aufgebaut, Neid-Debatte. Das sind alles so Dinger, die werden dann genutzt. Wer schaut, der hat gewonnen, warum ich nicht? Aha, da ist ein Gewinnspiel, vielleicht gewinne ich ja auch.

Patrick Lohmeier:
[35:56] Nun gut, gegen Eifersucht und Neid helfen, Besonnenheit und Mitgefühl kann man üben. Und gegen blinden Glauben, Werbeversprechen und unüberlegte Kaufentscheidungen kann man zumindest mit Neugier und Bildung einiges ausrichten. Auch das kann man sich ja aneignen. Und vielleicht trägt auch dieser Podcast etwas hierzu bei. Aber wissen Sie, was schwierig bis unmöglich in den Griff zu kriegen ist? Dieses diffuse Gefühl, es könne mir noch besser gehen. Vielleicht sollte mein Leben ebenso rund laufen wie diese links- oder rechtsdrehenden Joghurtkulturen. Und verspricht uns die Werbung seit jeher nicht immer dieses höher, schneller, weiter, besser, auch ganz ohne Fakes? Oder handelt es sich dabei einfach um Unwahrheiten, die wir uns mittlerweile gewöhnt haben, weil die tun ja nicht weh. Sie erinnern sich vielleicht.

[CLIP]

Patrick Lohmeier:
[36:52] Aber wo endet in der Online-Werbung die Wahrheit und wo beginnt der Fake? Sind wir nicht einfach so auf Konsum gepolt, dass wir Firmen und Marken und Menschen glauben wollen, dass sie unsere Leben etwas besser machen? In der nächsten Folge optimieren wir vielleicht nicht ihr Wohlbefinden oder ihre Fitness. Das kann man sowieso am besten tun, wenn man eben mal vom Computer oder vom Smartphone aufsteht und an die frische Luft geht. Aber dafür ihren Scharfblick für Werbung, die vielleicht nicht Fake ist, aber wenig von dem hält, was sie verspricht. Und das geht nicht nur uns etwas an, sondern auch ganz junge Konsumentinnen und Konsumenten.

[CLIP]

 Ja, aber der schöne Strahl kann täuschen, liebe Kinder. Und dafür braucht man nicht mal reinrassige Fakes und Betrugsmaschen. Mehr zu scheinheiliger Wellness bei Instagram, musikalischen Hamburgern bei YouTube und Gütesiegel überall, die ihren Namen nicht verdienen, in Folge 2 unserer Themenreihe Online-Werbung bei "dürfen die das?" Selbstverständlich 100% werbefrei.

Patrick Lohmeier:
[38:09] Dürfen die das ist ein Podcast der Verbraucherzentrale Berlin, gefördert durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, und wird moderiert und produziert von mir, Patrick Lohmeier. Ich bedanke mich herzlich bei allen Menschen, die die Entstehung dieses Formats ermöglichen und mit ihrer Expertise unterstützen. Sollten Sie Fragen, Kritik oder Themenwünsche haben, schreiben Sie mir gerne an podcast@vz-bln.de. Diese und weitere Kontaktmöglichkeiten und Informationen finden Sie natürlich auch im Begleittext zu dieser Episode. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.

 

Bei Fragen, Kommentaren und Themenwünschen rund um den Podcast erreichen Sie Patrick Lohmeier per E-Mail an podcast@vz-bln.de.

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genau genommen Podcast Logo (Verbraucherzentrale)

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