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Riester-Urteil: Landgericht kippt Klausel gegen Rentenkürzung

Stand:
Versicherungsunternehmen dürfen den Rentenfaktor in Rentenversicherungsverträgen nicht nachträglich senken und sich dabei auf sinkende Kapitalmarktzinsen berufen. Das entschied das Landgericht Köln.
Jemand schneidet mit einer Schere das Ende des Wortes Rente ab

Das Wichtigste in Kürze:

  • Das Landgericht Köln hat eine Klausel in einem Rentenversicherungsvertrag gekippt, die eine Kürzung des Rentenfaktors ermöglicht. Ein Angestellter mit einer Riester-Fondspolice hatte gegen die Kürzung geklagt und Recht bekommen.
  • Eine weiteres Verfahren gegen die Allianz Lebensversicherung, bei dem der Versicherer ebenfalls Riester-Renten unter Berufung auf eine Klausel gekürzt hatte, wird noch vor dem OLG Stuttgart verhandelt.
  • Die Verbraucherzentralen stellen einen Musterbrief zur Verfügung. Eine Klärung durch den Bundesgerichtshof steht allerdings noch aus.
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Klausel der Versicherer benachteiligt Verbraucher:innen

Das Landgericht Köln hat zum ersten Mal die Rentenkürzung eines Versicherers für unwirksam erklärt. In einem Verfahren gegen die Zurich Deutscher Herold zu einer fondsgebundenen Rentenversicherung entschieden die Richter, dass die nachträgliche Absenkung des sogenannten Rentenfaktors in einem laufenden Vertragsverhältnis nicht zulässig ist (Az: 26 O 12/22).

Ein Angestellter hatte gegen die Rentenkürzung geklagt. Der Versicherer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, sie dann aber doch zurückgezogen. Damit ist das Urteil zwar rechtskräftig geworden. Allerdings geht von einem Urteil eines Landgerichts keine so starke Signalwirkung aus wie von einem Urteil eines Oberlandesgerichts. Mit der Rücknahme der Berufung hat der Versicherer möglicherweise genau das verhindert.

Der Versicherer Zurich Deutscher Herold verwendete eine Klausel in einem Vertrag, wonach er unter anderem den Rentenfaktor senken darf, wenn die Rendite geringer ausfällt. Konkret ging es um folgende Klausel:

"Wenn sich die Lebenserwartung unerwartet stark erhöht bzw. die Rendite der Kapitalanlagen nicht nur vorübergehend absinkt und dadurch die langfristige Erfüllbarkeit einer lebenslangen Rentenzahlung nicht mehr sichergestellt ist, sind wir berechtigt, Ihre Monatsrente je 10.000 EUR Vertragsguthaben so weit herabzusetzen, wie dies erforderlich ist, um diese langfristige Erfüllbarkeit zu gewährleisten. Dabei darf für die Berechnung Ihrer Monatsrente je 10.000 EUR der Betrag nicht unterschritten werden, der sich ergibt, wenn die Sterbetafel und der Rechnungszins angewendet werden, die zum Ende der Aufschubzeit nach Maßgabe der dann gültigen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen und Vorgaben als Rechnungsgrundlagen geboten sind. Zusätzlich dürfen 50 % der in Ihrem Versicherungsschein genannten Monatsrente je 10.000 Euro nicht unterschritten werden.
Dieses Recht steht uns nur bis zum vereinbarten Rentenzahlungsbeginn zu. Wir dürfen es nur mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders ausüben, der die Voraussetzungen und die Angemessenheit der Anpassung geprüft und bestätigt hat. Über eine Anpassung werden wir Sie rechtzeitig informieren."

Wenn sich die Kalkulationsgrundlage aber zu Gunsten von Verbraucher:innen wieder verändert, sieht die Klausel im Umkehrschluss  keine Anhebung des Rentenfaktors vor. Diese Klausel hat das Landgericht Köln als unwirksam erachtet.

In einem ähnlichen Verfahren lässt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eine Klausel der Allianz Lebensversicherung gerichtlich überprüfen. Hier lautet die Klausel wie folgt:

"Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 a Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 € Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können."

Die Allianz hatte Riester-Renten gekürzt und sich dabei auf die strittige Klausel berufen. Das Landgericht Stuttgart hat die Klage der Verbraucherzentrale abgewiesen, jetzt wird der Fall vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt (Az 2 U 143/23).

Warum ist der Rentenfaktor wichtig?

Der Rentenfaktor legt fest, wie viel Rente Sie pro 10.000 Euro Kapital später als Rente erhalten. In dem Verfahren gegen die Zurich ging es um einen fondsgebundenen Riester-Rentenversicherungsvertrag. Der Rentenfaktor, der bei Vertragsabschluss vereinbart wurde, betrug 37,34 Euro. Während der Ansparphase wurde er schließlich auf 27,97 Euro gekürzt. Dies hätte eine Rentenkürzung von rund einem Viertel ab Beginn der Rentenzahlung bedeutet.

Im Verfahren gegen die Allianz wurde einem Verbraucher im Jahr 2006 eine als "RiesterRente InvestGarantie" bezeichnete Rentenversicherung verkauft, mit dem Versprechen einer Rentenzahlung in Höhe von monatlich 38,74 Euro je 10.000 Euro Policenwert. Inzwischen hat der Versicherer den Rentenfaktor auf 30,84 Euro je 10.000 Euro Policenwert gekürzt. Dies entspricht einer Kürzung um rund 20 Prozent.

Die Frage, ob derartige Klauseln wirksam sind, hat weitreichende Folgen auch für Verbraucher:innen, die bei diesen und anderen Versicherern Verträge mit ähnlichen Klauseln abgeschlossen haben. Wie viele Verbraucher:innen betroffen sein könnten, ist noch nicht absehbar.

Was muss ich als Verbraucher:in nun tun?

Ein sofortiges Handeln ist für Versicherungsnehmer:innen mit ähnlichen Klauseln, in deren Verträgen in der Vergangenheit der Rentenfaktor gekürzt wurde, zwar nicht erforderlich. Sie können sich aber auch jetzt schon gegen eine entsprechende Rentenkürzung wehren, sofern der Versicherer diese aufgrund einer derartigen Klausel vorgenommen hat. Dazu können Sie diesen Musterbrief nutzen. Sie können ihn auch für Verträge nutzen, die bereits in der Rentenphase sind.

Riester ist gescheitert – die Verbraucherzentralen fordern eine Alternative

Die Beschwerden über die Riester-Rente reißen in den Verbraucherzentralen seit Jahren nicht ab. Ein Großteil der Sparbeiträge und Zulagen verschwindet aufgrund der hohen Provisionen, der Abschluss- und Verwaltungskosten. Immer wieder haben die Verbraucherzentralen rechtswidrige Praktiken aufgedeckt. Diese sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Das Verhalten der Anbieter von Riester-Sparverträgen geht direkt zu Lasten der Renten der Sparer:innen.

Wenn die Politik an einer Rente über den Kapitalmarkt festhalten möchte, dann muss sie dabei die Verbraucherinteressen in den Mittelpunkt stellen. Deshalb setzen sich die Verbraucherzentralen politisch für ein standardisiertes Basisprodukt in der privaten Altersvorsorge ein.

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