Versicherungsverträge sind keine greifbaren Produkte, sondern vielfältig gestaltbare Absicherungen für finanzielle Risiken. Viele dieser Risiken, wie Krankheit, Berufsunfähigkeit oder die Haftung für einen verursachten Schaden, sind für Verbraucher:innen so bedeutsam, dass ohne eine Absicherung der finanzielle Ruin, zumindest ein empfindlicher finanzieller Schaden droht. Was versichert ist, wird in den Bedingungen genau festgelegt, ist aber oft kompliziert beschrieben und schwer verständlich. Es ist jedoch wichtig, dass Verbraucher:innen genau wissen, was sie da abschließen – und ob es zu ihrer persönlichen Situation passt.
Individuelle Absicherung statt Standard
Jede Lebenssituation ist anders, die jeweiligen Einschätzungen und Neigungen von jeder Verbraucherin und jedem Verbraucher können ganz unterschiedlich sein, und damit der individuell gewünschte Absicherungsumfang. Die Beratung durch Versicherer und Vertrieb soll gewährleisten, dass der zum Absicherungswunsch passende Versicherungsschutz gefunden und dokumentiert wird. Konkret bedeutet das:Der Vermittler oder der Versicherer muss ermitteln, was Verbraucher:innen wirklich wollen, indem er ihre individuellen Wünsche und Bedürfnisse erfragt und ihnen anschließend passende Produkte vorschlägt. Wenn dieser Prozess klar und nachvollziehbar abläuft, ist die Wahl des richtigen Tarifs keine Glückssache.
Was die Beratung leisten muss – gesetzlich vorgeschrieben
Der Gesetzgeber hat klar geregelt, was eine Beratung im Versicherungsbereich leisten muss:
- Der Bedarf des Kunden muss durch gezielte Fragen ermittelt werden.
- Es müssen passende Tarife empfohlen werden, die diesem Bedarf entsprechen.
- Es muss erklärt werden, warum genau dieser Tarif empfohlen wird.
- Die Beratung muss schriftlich dokumentiert werden
Nur in wenigen Ausnahmefällen darf auf eine Beratung verzichtet werden – und das nur, wenn Kundinnen und Kunden ausdrücklich erklären, dass keine Beratung erwünscht ist.
Beratung ist Pflicht, kein Extra
Nach einer Klage der Verbraucherzentrale zeigt ein aktuelles Urteil des Landgerichts München (3 HK O 9060/24, nicht rechtskräftig), wie ernst das Thema ist: Ein Versicherer wurde verpflichtet, grundsätzlich eine Beratung anzubieten – es sei denn, der Kunde erklärt einen gesonderten Beratungsverzicht. Der Anbieter darf also nicht den Eindruck erwecken, dass eine Beratung unnötig sei, oder einen stillschweigenden Beratungsverzicht unterstellen. Auch ein Chatbot auf der Webseite geht nicht als „Beratung“ durch, vor allem nicht, wenn er kryptisch unter einem allgemeinen Menüpunkt der Website wie „Hilfe & Kontakt“ versteckt ist.
Warum die Beratungsdokumentation so wichtig ist
Die schriftliche Zusammenfassung der Beratung ist für Verbraucher:innen gleich mehrfach bedeutsam:
- Sie dient als Beweis, falls es später zu Streit oder Problemen kommt – etwa, weil der Versicherungsschutz nicht greift. Ohne eine ausreichende Dokumentation ist es fast unmöglich, nachzuweisen, dass Sie schlecht beraten wurden. Dann kann der Versicherer oder Vertrieb einfach behaupten, er habe alles richtig gemacht – auch wenn das nicht stimmt. Die Dokumentation als Kontrolle kann also auch vor leeren Versprechungen und Missverständnissen schützen.
- Sie können nachlesen, ob Ihre eigenen Wünsche richtig verstanden und mit welchen Begründungen in die Tarifempfehlung umgesetzt wurden. Denn durch die Vielzahl angesprochener Aspekte und die Informationsasymmetrie zwischen Versicherern und Verbraucher:innen lässt sich oft schwer erinnern, was eigentlich besprochen wurde.
Was eine gute Dokumentation ausmacht – und worauf man achten sollte
Nicht jede Beratungsdokumentation erfüllt ihren Zweck. Ein paar Hinweise helfen, die Qualität zu beurteilen:
- Zu kurz? Wenn alles auf eine Seite passt, ist das regelmäßig zu wenig – besonders, wenn dort auch noch Werbung oder die Visitenkarte des Beraters untergebracht ist.
- Nur Kästchen zum Ankreuzen? Das reicht nicht. Jeder Mensch hat individuelle Bedürfnisse – die lassen sich nicht in ein paar Standardschubladen pressen.
- Keine klare Begründung für die Empfehlung? Dann ist unklar, ob bedarfsgerecht beraten wurde.
- Der Vermittler drängt auf einen Beratungsverzicht? Das ist unzulässig – und ein absolutes Warnsignal
Bestehen Sie aus den beschriebenen Gründen deshalb auf einer ausführlichen Beratung! Verlangen Sie eine klare, verständliche Dokumentation – keine Häkchenliste. Lassen Sie sich nicht zu einem Beratungsverzicht überreden. Lassen Sie sich die Dokumentation vom Vermittler unterschreiben. Sie selbst müssen nicht unterschreiben – das ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Eine gute Beratung und eine ordentliche Dokumentation helfen nicht nur im Moment des Vertragsabschlusses. Sie sind auch Jahre später noch wertvoll, etwa wenn man den Vertrag an neue Lebensumstände anpassen will. Eine gute Beratungsdokumentation hilft dabei, dass Sie wirklich die Versicherung bekommen, die zu Ihnen passt.