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Kritik an Lebensversicherern

Stand:
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat den Vertrieb von Lebens- und Rentenversicherungen unter die Lupe genommen. Sie kritisiert hohe Kosten und hohe Stornoquoten. Einige Produkte seien so konstruiert, dass die Mehrheit der Versicherten mit ihnen Verluste machen werde.
Ein Paar rechnet Angaben aus Finanzunterlagen nach
Off

Kritisch sieht sie auch die Provisionszahlungen der Fondsgesellschaften an die Vermittler von fondsgebundenen Versicherungen. Vermittler könnten gezielt solche Fonds empfehlen, für die sie neben der Provision vom Versicherer auch Provisionen von der Fondsgesellschaft erhalten. Derart scharfe Töne der BaFin sind neu. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings hält die BaFin die Namen der untersuchten und kritisierten Anbieter bislang geheim. Verbraucherinnen und Verbraucher haben aber ein Recht darauf, die Kritik der Aufsichtsbehörde an Lebensversicherern zu erfahren. Schließlich ist dies eine für ihre Anbieterwahl wichtige Information. Welche Taten nun folgen, bleibt abzuwarten. 

Das strukturelle Problem kann aber auch die BaFin nicht lösen: In der Finanzberatung wird nur verkauft, was hohe Provisionen bringt. Die Versicherungen, die verkauft werden, sind deshalb viel zu teuer. Schon übliche Gebühren von 1,7 Prozent des Anlagevermögens pro Jahr kosten den Sparer oder die Sparerin langfristig die Hälfte der erzielten Rendite. Laut BaFin liegen die Effektivkosten im Durchschnitt sogar zwischen 2,7 Prozent bei den 12-jährigen Verträgen und 1,8 Prozent bei den Verträgen, die über 40 Jahre laufen. Die Produkte sind viel zu unflexibel.

Wer vorzeitig kündigt, bleibt auf den hohen Anfangskosten sitzen. Und die Kündigung ist der Regelfall. Die BaFin hat es vorgerechnet: Bei Verträgen mit einer Ansparphase von 40 Jahren werden bei der branchenüblichen Stornoquote im Lauf der Jahre mehr als 70 Prozent der Verträge vorzeitig beendet. Sogar als Verwalter des ihnen anvertrauten Vermögens machen die Anbieter von fondsgebundenen Rentenversicherungen und Indexpolicen keine gute Figur. Statt das Geld ihrer Kunden nach wissenschaftlichen Erkenntnissen  gewinnbringend und breit gestreut anzulegen, verfolgen sie zum Teil teure und unrentable Anlagestrategien. Unsere Verbraucherberatung und Nachberechnungen in rund 40 Fällen zeigen, dass bei Fondspolicen oft nur ein Viertel der Kapitalmarkterträge bei den Versicherten ankommt. Die Situation der Versicherten ist dramatisch. Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen: Ratsuchende müssen sich darauf verlassen können, dass Beratung drin ist, wo Beratung draufsteht. Deshalb haben Provisionen in der Finanzberatung nichts zu suchen.

Fondspolice oder Fondssparplan?

Hier ein kleines Rätsel zur Veranschaulichung der Situation:
Wenn eine typische Fondspolice eine 3.000 Meter-Läuferin wäre und gegen Fonds- und ETF-Sparpläne als die weiteren Läuferinnen antreten würde, wie wäre der sportliche Erfolg?

a) Die Fondspolice würde von Anfang an führen und als Erste im Ziel einlaufen.
b) Sie würde in den ersten 1.000 Metern etwas zurückbleiben, aber dann einen massiven Spurt einlegen und als Erste durchs Ziel laufen.
c) Sie würde vom Startblock erst einmal in die völlig falsche Richtung losrennen. Nach vielen Hundert Metern wendet sie in Richtung Ziel, rennt aber langsamer als die
anderen Läuferinnen. Ihr Rückstand wird von Sekunde zu Sekunde größer und sie läuft als Letzte ins Ziel ein.

 

Richtig ist in der Regel Antwort c).

Dass die fondsgebundene Rentenversicherung „vom Startblock erst einmal in die falsche Richtung losrennen“ würde, mag zunächst polemisch klingen. Doch bei Fondspolicen fallen Abschluss- und Vertriebskosten an. Ein Großteil davon sind Provisionen für den Vertrieb. Im Schnitt gehen mehr als vier Prozent der gesamten Beitragszahlungen dafür drauf, und die werden in der Regel gleich in den ersten fünf Jahren für die komplette Vertragslaufzeit belastet. Darüber hinaus fallen bei Fondspolicen weitere Kosten an: Verwaltungskosten, Risikokosten und Kosten der Investmentfonds. Die Verträge sind so in den ersten Jahren immer im Minus. Das kann man so auch dem Zahlenwerk in den Vertragsunterlagen zu Fondspolicen entnehmen. Es braucht viele Jahre bis das Vertragsguthaben überhaupt mal höher wird als die geleisteten Einzahlungen. Bei einer Beitragsdynamik von 10 Prozent pro Jahr, die laufend weitere Abschlusskosten verursacht, und mit besonders teuren Anlagekonzepten kann es auch vorkommen, dass eine Fondspolice nie ins Plus kommt. Die Metapher von der Geisterläuferin trifft leider zu. Ein ETF-Sparplan mit 0,2 Prozent Kosten pro Jahr ist nach 10 Jahren übrigens bei einer Marktrendite von 6 bis 9 Prozent schon 30 bis 50 Prozent im Plus. Und bei einem Crash würde eine Fondspolice mehr leiden als ein ETF-Sparplan, denn der Wert der Fondspolice verringert sich zusätzlich um ihre hohen Kosten. 

Deshalb ist eine Fondspolice obendrein riskanter als ein vergleichbarer ETF-Sparplan mit gleichem Risiko. Es lohnt sich deshalb, gut zu überlegen, auf welche Läuferin man bei der Geldanlage setzen will. 

 


Dieser Text ist ursprünglich in der Verbraucherzeitung 4/2024 erschienen.

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