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"dürfen die das?" Podcast: Optimier dich! (3/6)

Stand:
Digitale Halbgötter in weiß ohne Doktortitel und Gesundheitsprodukte, die krank machen können — dies und mehr in der dritten Episode unserer Podcastreihe "dürfen die das?" rund um unseriöse Influencer und Onlinewerbung.
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Leere Pillen, bunte Kapseln und Wellness-Gadgets, die sich als Medizinprodukte tarnen

Den meisten Menschen ist die eigene Gesundheit das wichtigste Gut. Wenig überraschend also, dass mit dem Einzug des Internets in alle Lebensbereiche der Markt rund um Nahrungsergänzungsmittel und gesundheitsförderliche Produkte regelrecht explodiert ist. Aber die gesetzlichen Anforderungen an solche komplementären und alternativmedizinischen Artikel sind gering - und ihr gesundheitlicher Mehrwert trotz hochtrabender Werbeversprechen in den meisten Fällen fragwürdig.

Diesmal mit den Expertinnen Angela Clausen (Verbraucherzentrale NRW) und Dr. Susanne Punsmann (Verbraucherzentrale NRW). Moderation & Produktion: Patrick Lohmeier (Verbraucherzentrale Berlin).

dürfen die das? wird gefördert durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags.

Wir freuen uns über Lob, Kritik und Themenwünsche per E-Mail an podcast@vz-bln.de. Weitere Informationen zum Podcast und alle Episoden finden Sie unter verbraucherzentrale.de/dddpodcast.

 

Quellen:



 

Ganze Folge zum Nachlesen

Hier klicken, um das Transkript zu öffnen...

CLIP

Patrick Lohmeier:
[1:13] Soweit mein zwölfjähriger Sohn zum Thema Junkfluencer, nachdem ich vom Interviewtermin bei Foodwatch zurückkam. Und, kleine Korrektur, Paulberger Limo ist kein Energy Drink, enthält also kein Taurin oder Koffein und ist nach dem Spitznamen benannt, den der Letsplayer iCrimax sich selbst und seinen größten Fans gibt. Musste ich auch erst recherchieren und weiß da vielleicht ein bisschen mehr, dafür habe ich aber ungleich zu meinem Nachwuchs keine Ahnung von Minecraft oder Roblox. Das sind nämlich die Games, die iCrimax für seine Millionen von Follower spielt. Und der hat mit 16 angefangen, an seiner YouTube-Karriere zu schrauben. Aber damit kann man auch sehr viel früher starten.

[CLIP]

Patrick Lohmeier:
[2:04] Also nochmal ganz deutlich, dieser Faceroller, der regt die Durchblutung im Gesichtsbereich an, lässt die Haut abschwellen, macht sie stärker, straffer und das sind alles Herstellerinformationen, die ich mir auf deren Websites angelesen habe. Und diese Eyepatches, die hier die YouTuberin zeigt, das sind solche Gelkissen mit Kokosöl, Hyaluron, Koffein, Eigenextrakten und sonst was, gefüllt und getränkt und angereichert, die kühlen und befeuchten die Haut und sollen sie straffer machen, beugen eben auch Falten vor, wie hier berichtet wird. Und noch was habe ich nachgeguckt, nämlich dass Ava gemäß meiner Recherchen zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Videos Anfang 2023 elf Jahre alt ist. Und mittlerweile hat ihr YouTube-Channel AllesAva 1,5 Millionen Follower und bei Instagram und TikTok kommen noch ein paar hunderttausend dazu. Und wenn sie uns nicht gerade ihren großzügig ausgestatteten Schminktisch zeigt, macht sie bezahlte Werbung für einen Fantasy-Roman und die dazugehörige Smartphone-App.

[CLIP]

Patrick Lohmeier:
[3:17] Immerhin, die minutenlange Werbepause ist recht gut erkennbar oben links als solche markiert. Und Avas absolut korrekter Hinweis, als Elfjährige müsse sie nichts gegen Gesichtspalten tun, ist ehrlicher und transparenter als vergleichbare Inhalte zu Beautyprodukten und Lebensmitteln, die sich an eine junge Zielgruppe wenden, die ich in anderen Videos von Influencern im Kinder- und Teenageralter gesehen habe. Außer vielleicht dieser eine Halbsatz.

CLIP einer YouTuberin:
[3:43] Ich finde, das fühlt sich einfach richtig cool an.

Patrick Lohmeier:
[3:47] Aber wie gehen wir damit um? Junge, teils sehr junge Lifestyle- und Beauty-Influencer wie Ava gibt es eben viele. Und es wäre sicher ein leichtes, kulturpessimistisch auf deren Videos und Storys und Reels zu blicken und die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und den sprichwörtlichen Untergang des Abendlandes heraufzubeschwören. Und ich bin mir sicher, das tun auch viele, vielleicht die meisten Erwachsenen, deren Alltag sich irgendwann eben nicht mehr maßgeblich um Fast Food und Beauty und den besten Style und das heißeste Social-Media-Profil dreht. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Aber ganz ehrlich, Kids will be Kids. Und in aller Fairness sei gesagt, dass kritischer Medienkonsum und ein reflektiertes Kaufverhalten vermutlich auch nicht ganz oben auf der Prioritätenliste von Heranwachsenden in den 70er, 80er und 90er Jahren standen. Es ist Pflicht und Aufgabe von uns, den Erwachsenen dieses Wissen zu vermitteln und der unkontrollierten Einflussnahme von profitorientierten Medien und Unternehmen auf junge Menschen vorzubeugen. Ja, unsere Aufgabe, unsere Pflicht. Kinder dürfen nicht verlacht, sondern müssen verstanden werden. Und es ist meine Aufgabe, hier nicht nur Klischees und Vorurteile zu reproduzieren, damit ich mir schön selber auf die Schulter klopfen kann, sondern ich will begreifen, warum Kinder wie Erwachsene auf die immer gleichen offensichtlichen Lügen und leeren Versprechungen hereinfallen, die ihnen in sozialen Netzwerken begegnen.

Patrick Lohmeier:
[5:07] Und wo wir gerade bei Erwachsenen sind und unserer Lebensrealität, mal ganz im Vertrauen unter uns, offen und ehrlich. Also sind Babyboomer, Gen-Xer, also die Generation Golf, Millennials und alle Generationen, die noch nicht in die digitale Medienwelt hineingeboren wurden, so anders? Das ist so eine selbstkritische Frage, die wir uns eigentlich jedes Mal stellen sollten, wenn wir vielleicht statt einer ausgewogenen und selbstgekochten Mahlzeit die Pizza- oder China-Pfanne vom Lieferdienst genießen. Oder uns noch ein paar Schuhe online bestellen, obwohl wir bereits zwei Dutzend im Schrank haben? Ich meine, brauchen wir wirklich alle zwei Jahre ein neues Smartphone? Und wann haben wir uns das letzte Mal nach einem teuren Energy Drink oder Proteinriegel jemals wirklich fitter gefühlt? Wie glaubwürdig ist der Popstar oder die Hollywood-Schauspielerin und ihr Werbeversprechen, dass diese teure Gesichtscreme Ihnen, ja Ihnen als Verbraucherinnen, als Verbraucher, Ihren Look um Jahre verjüngt? Und wie viel wissenschaftlich nachweisbar Gutes steckt denn in den Vitaminen und Mineralien, die ich mir täglich reinziehe? Sorry, das waren allesamt rhetorische Fragen und zwar eine ganze Menge. Außer vielleicht der letzten. Denn ehrlich gesagt wissen selbst wir von den Verbraucherzentralen oft nicht, was in Nahrungsergänzungsmitteln genau steckt. Denn so eine Algen-Vitamin-Kur oder ein Sack voll Kieselerde wird nicht strenger geprüft als ein Schokoriegel oder eine Tütensuppe.

Angela Clausen:
[6:28] Was die meisten schon mal gar nicht wissen: Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Lebensmittel wie Brot und Gurken. Und es gelten genau dieselben Gesetze wie für Brot und Gurken. Sprich, sie müssen sicher sein, also sie dürfen nicht krank machen oder ähnliches. Aber sie sollen auch nichts Besonderes können. Sie sollen einfach nur mein Essen sein. Und bei den Nahrungsergänzungsmitteln haben wir noch als kleine Besonderheit dabei, dass sie dazu da sind, die Ernährung zu ergänzen. Dass sie in kleinen, dosierten Mengen abgegeben werden sollen. Dass sie bestimmte Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und sonstige Stoffe mit ernährungsphysiologischer Wirkung enthalten sollen. Das bedeutet, sie sind einfach nur kleine Extra-Bausteine. Wenn ich beispielsweise keine Milch vertrage und überhaupt keine Milchprodukte esse, könnte es durchaus sein, dass mir zum Beispiel Vitamin B2 fehlt oder dass mein Kalzium im Essen fehlt. Und dann soll das Nahrungsergänzungsmittel diesen Baustein liefern. Aber heute, die Produkte, die wir am Markt haben, die liefern mir plötzlich Lavendel oder Haifischflossenextrakt oder Ginkgo oder ich weiß nicht was. Die liefern Sachen, von denen ich nie im Leben glauben würde, dass ich daran jemals einen Mangel habe.

[CLIP]

Angela Clausen:
[7:59] Also ich darf auch nicht sagen, Milch schützt vor Osteoporose oder so. Also jeder, der in irgendeiner Form mit Milch Geld verdient, der darf keine solche Aussagen tätigen. Also jeglicher Krankheitsbezug ist verboten für Lebensmittel. Und dann gibt es die Möglichkeit des Gesundheitsbezugs. Und das ist eine insofern ganz witzige Geschichte, weil die ganzen Lebensmittelhersteller haben vor 30 Jahren alle immer rumgemotzt, aber unsere Lebensmittel sind doch so gesund und das wollen wir auch bewerben dürfen. Aber Krankheitsbezug war ja schon immer verboten. Und daraufhin ist man auf das Instrument der sogenannten gesundheitsbezogenen Werbeaussagen gekommen. Und diese Aussagen mussten dann alle eingereicht werden, die wurden alle wissenschaftlich geprüft. Und seitdem gibt es eine, seit 2012, das hat immerhin dann zehn Jahre fast gedauert, bis man diese Liste fertig hatte. Aber seit 2012 gibt es eine Liste mit sogenannten Positivaussagen, sogenannten Health-Claims. Und diese gesundheitsbezogenen Aussagen sind erlaubt, auf ein Produkt draufzuschreiben, wenn ich bestimmte Voraussetzungen erfülle. Also wenn ich zum Beispiel 15 Prozent der Tagesmenge, die in einem bestimmten Gesetz drinstehen, wenn ich die in meinem Produkt drin habe, darf ich beim Calcium dann schreiben "Calcium für normalen Knochenbau" oder Calcium für irgendwas anderes, was es im Körper bewirkt. Es gibt da so eine ganze Latte.

Angela Clausen:
[9:21] Es gibt da ungefähr 220, 230 Aussagen, die erlaubt sind, fast alle für Vitamine und Mineralstoffe. Und das sind genau die, die jetzt eben sehr viel verwendet werden. Und wenn ich so ein Mischprodukt habe mit irgendwelchen Pflanzenzutaten, dann kommt auch immer irgendeine von diesen Aussagen dann zum Tragen, die dann irgendwie passen halt. So und da wird jetzt immer drum rum geschwurbelt um das Ganze. Ich kann jetzt auch, wenn ich eine gute Studie habe für etwas, kann ich eine weitere solche Gesundheitsaussage beantragen, aber ich muss eben einen Nachweis dafür haben. Und wenn es an diesen Nachweisen fehlt, hat man halt ein Problem. Also wie gesagt, deswegen wird ganz viel reingemischt. Aber das bedeutet eben ganz klar, kein Influencer darf jetzt sagen, das hilft gegen mein prämenstruelles Syndrom oder ich habe seitdem keine Regelschmerzen mehr oder was auch immer den Leuten einfällt oder "Mein Knie tut überhaupt nicht mehr weh, früher hatte ich immer solche Gelenkprobleme und jetzt kann ich die Treppen sprinten". Das sind alles Aussagen, die dürfen gar nicht getätigt werden. Aber sie werden natürlich getätigt, weil sie werden so selten überprüft. Also es wird ganz viel da behauptet, was eigentlich alles illegal ist, aber wir haben einen Wahnsinnswirrwarr, was die Zuständigkeiten angeht. Rein theoretisch ist für das, was meinetwegen ein Influencer auf Insta in einer 24-Stunden-Story erzählt, die Lebensmittelüberwachung zuständig, weil der redet ja über ein Lebensmittel. Zumindest dann, wenn er es promotet, wenn er irgendwelche Rabattcodes oder sowas hat.

[CLIP]

Angea Clausen:
[11:05] Wenn jetzt Christin Müller hingeht und sagt, sie möchte jetzt immer aus ihrem Leben berichten und wie toll ihr Milch schmeckt und dass das für ihren Magen so toll ist, dann kann sie das machen, so viel sie will. Aber wenn sie dann anschließend Rabattcodes für irgendwelche Milchprodukte in ihrer Vita irgendwo mit drin stehen hat oder so, dann geht das gar nicht mehr. Da muss ich es auch kennzeichnen, dass sie Werbung macht. Und auch das passiert leider nicht. Die EU hat vorletztes Jahr schon eine große Untersuchung gemacht und hat festgestellt, dass selbst die reichweitenstärken InfluencerInnen, die über 100.000 Follower haben, dass 80 Prozent von denen Werbung machen, ohne Werbung zu kennzeichnen.

Patrick Lohmeier:
[11:42] Das war nochmal Ernährungswissenschaftlerin Angela Clausen von der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen. Danke, Angela. Die heutige Folge von "dürfen die das?" betrachten Sie bitte als folgende Versuchsanordnung: Wir fassen uns alle selbstkritisch an die Nase und stellen uns die Frage, für wie unglaubwürdig, dumm oder gar verlogen wir Online-Werbung und Versprechen von Influencern halten, die sich an Zielgruppen richten, denen wir uns nicht zugehörig fühlen. Und anschließend kurzes Innehalten und in sich gehen und sich die Frage stellen, wie würden wir auf genau dieselben Botschaften reagieren, wenn es aber um Produkte ginge, die maßgeschneidert scheinen für unseren eigenen Bedarf und von denen wir uns eine Verbesserung der eigenen Lebensqualität versprechen. Genau. Und zu selbiger gehört für die meisten von uns eine gute Gesundheit. Deswegen lassen Sie uns auch heute dort ansetzen und uns in die Welt der digitalen Wellness und der gut vernetzten Medfluencer begeben, in diesem Podcastformat ganz ohne Nebenwirkungen. Der Titel unserer halbstümdigen Crash-Gesundheitskur ist "Optimier dich!" und mein Name ist Patrick Lohmeier von der Verbraucherzentrale Berlin. Let's go!

 

Dr. Susanne Punsmann:
[13:11] ... wo online ein paar Symptome abgefragt werden und man sich dann selbst diagnostiziert, um dann direkt bei dem Coach, auf dessen Seite man diesen Test gemacht hat, ein Coaching in Anspruch zu nehmen. Und diese VerbraucherInnen oder PatientInnen werden dann letzten Endes von der evidenzbasierten Medizin weggelockt und versuchen dann auf diesem Wege, Diagnosen und Behandlungen zu finden. Und gerade bei diesem Thema ist es halt einfach auch sehr, sehr schwierig, weil es zu wenig Angebote gibt. Das heißt, die Leute warten sehr, sehr lange auf einen Termin, allein für eine Diagnostik. Und dann schauen sie im Internet, googeln Symptome und stoßen dann auf diese Coaches. Ja, wenn wir also Erkrankungen haben, die gerade populär sind. Ja, ich will nicht das Wort Modediagnose verwenden, weil ich glaube schon, dass wir das oder ich bin sicher, wir sprechen an dem Punkt schon über Erkrankungen und Leidensdruck. Ja, und dann sind die Menschen auf der Suche, googeln ihre Symptome, finden was und werden dann in unseriöse Angebote gelockt. Das haben wir nicht nur bei ADHS, das haben wir bei Long-Covid. Das haben wir immer da, wo es noch nicht so ein, wie soll ich sagen, so gefestigte Behandlungsangebote gibt oder aber wo die Behandlungsangebote, wie zum Beispiel bei ADHS oder überhaupt bei Psychotherapien und Behandlungen nicht so schnell verfügbar sind.

Patrick Lohmeier:
[14:36] Meine Düsseldorfer Kollegin, Juristin Dr. Susanne Punzmann, haben Sie bereits in der zweiten Folge unseres Podcasts gehört. Und ich hoffe, Sie sehen es mir nach. Ich springe hier mal ganz frech von YouTubern mit ihren Burgerpommes, Energy-Drink, Kartoffelchips-Clips über von Influencern beworbene Nahrungsergänzungsmittel hin zu pseudomedizinischen Angeboten. Weil da scheinen sich die Expertinnen und Experten einig zu sein, die Bewerbung dieser Produkte den immer gleichen oder zumindest vergleichbaren Regeln folgt. Hinter den Dienstleistungen steht nämlich meist ein vermeintlich vertrauenswürdiges Gesicht oder eine Community. Die Produkte sind mit einem Klick oder Fingertipp verfügbar und oft genug scheinen sie alternativlos. Unser Nutzungsverhalten, also unsere persönlichen Daten, verraten YouTube, Instagram, Facebook, TikTok und so weiter außerdem haarklein, was unsere Bedürfnisse sind. Und dass Eltern, Politik und Behörden mit der Kontrolle von 99 Prozent dieser Werbeversprechen und der dazugehörigen Produkte überfordert sind und wenig bis nichts ausrichten können, ist quasi in diese Marketingstrategie eingepreist. Aber, und das war eine der vielen Fragen, die ich an Susanne hatte, die mir gleich noch von einigen fadenscheinigen, höchst fragwürdigen Angeboten berichten wird, können wenigstens wir als Verbraucherzentralen da etwas tun? Vor allem, wenn man uns mit unseriösen Werbeversprechen an einem so empfindlichen Punkt ködern will wie unserer eigenen Gesundheit.

Dr. Susanne Punsmann:
[16:04] Naja, anbieten grundsätzlich darf man schon, aber man muss natürlich vorsichtig sein mit den Aussagen, wie man sie tätigt. Ich kann nicht sagen, ich bin Coach und ich coache dich so, dass du nie wieder eine Grippe bekommst. Oder wenn du eine Grippe hast, heile ich dich mit meinem Coaching innerhalb von zwei Tagen, bist du absolut wieder fit und hast keine Langzeitfolgen. Aber genau das ist es, was die Coaches bei anderen Erkrankungen machen. Bei Grippe traut sich das einfach niemand, das so zu sagen, weil man sagt, okay, wir haben eine Grippeschutzimpfung. Ja, wir wissen, wenn es mich dann doch erwischt, wie so ein Krankheitsverlauf läuft. Aber wenn wir so langwidrige Erkrankungen haben, also ich meine ADHS ist eine lebenslange Störung oder auch bei Long-Covid sind das sehr langwidrige Prozesse. Da ist es dann so, dass die Menschen sich dann, wenn sie keine ärztliche Behandlung finden, sich auf die Suche begeben und im Internet dann halt eben viele, viele unseriöse Angebote finden. Ja, und wie gehen wir vor? Wir schauen uns natürlich schon an, wie viele VerbraucherInnen sind von dieser Werbung betroffen. Bei den einzelnen ADHS-Coaches sind zwar nicht so viele betroffen, aber es ist einfach ein gesellschaftliches Phänomen derzeit, dass wir gesagt haben, das ist ein Thema, dem wir uns annehmen. Wir schauen uns an, wie schlimm ist das, womit sie werben. Also wie gesundheitsgefährdend, weil es ist ja oftmals so, Wenn man auf irgendwas reinfällt, sei es auf einen Coach, sei es auf ein Nahrungsergänzungsmittel, was man für ein Medikament hält.

Dr. Susanne Punsmann:
[17:35] Wenn man dann auf die evidenzbasierte Medizin verzichtet, kann das ja zu schweren gesundheitlichen Folgen führen. Ja, auch das haben wir. Wir hatten gerade letztes Jahr viel mit einem angeblichen Blutdrucksenker zu tun, also einem vermeintlichen Blutdrucksenker. Das war ein Nahrungsergänzungsmittel, das vermeintlich von Eckart von Hirschhausen beworben wurde, was er aber gar nicht beworben hat. Und die Menschen haben daraufhin, haben das bestellt, sind auf die Werbung reingefallen und haben ihre Blutdruckmedikamente abgesetzt, um das Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen. Und das kann natürlich dann sehr, sehr schnell gefährlich werden. Also die Frage, welche gesundheitlichen Folgen hat das für die Menschen, wenn sie der Werbung vertrauen und auf ihre bereits erfolgte Medizin oder auf das, was sie medizinisch bekommen könnten, verzichten. Das ist auch immer ein Argument für uns. Wir hatten auch letztes Jahr gerade ein Produkt, mit dem wir uns viel beschäftigt haben, der Healy, ein Energiefrequenztherapiegerät. Und egal, welche Erkrankung man eingegeben hat bei Google, "Healy Multiple Sklerose", "Healy Allergie", "Healy Heuschnupfen", man hat immer einen Anbieter gefunden, der gesagt hat, der Healy hilft genau dagegen.

[CLIP]

Dr. Susanne Punsmann:
[19:02] Wenn ich mir jetzt vorstelle, da ist jemand, der hat Multiple Sklerose und ist auf eine medizinische Behandlung angewiesen, sitzt möglicherweise schon im Rollstuhl und hört dann von dieser Werbung, ist so verzweifelt und kauft sich dieses Gerät dann, was zwischen 500 und 4000 Euro kostet, und wird dann noch so verschaukelt von dem Anbieter. Zum einen ärgert es uns, weil er halt auf seine normale Medizin verzichtet, aber ihn dann auch nochmal so zu enttäuschen und ihm das Geld abzuknöpfen, ist natürlich auch nochmal so ein Punkt. Das heißt, der wirtschaftliche Schaden für den Verbraucher, der gesundheitliche Schaden für den einzelnen Verbraucher, natürlich auch die Frage, wie viele Personen sind in der Masse betroffen und das ist so eine Abwägung, die wir dann einzeln vornehmen.

Patrick Lohmeier:
[19:49] Ich habe es auf den ersten Blick gar nicht verstanden. Was ist denn das für ein Produkt? Du sagst, die kosten unterschiedlich viel. Also Healy ist im Grunde ein Markenname, aber es ist kein Produktname, oder?

Dr. Susanne Punsmann:
[19:59] Genau, es ist sowohl ein Produktname als auch ein Markenname. Aber unter diesem Namen werden halt verschiedene Produkte verkauft. Und dann gibt es den sogenannten Healy Medical. Das ist ein Medizinprodukt, was in der EU zugelassen ist, auch als Medizinprodukt.

Dr. Susanne Punsmann:
[20:19] Und die Zulassung als Medizinprodukt suggeriert natürlich immer "Oh, das muss ja getestet worden sein, das muss ja wirksam sein" und, und, und. Das ist es aber nicht, sondern diese Zertifizierung sagt letzten Endes nur, ich sag mal grob, es gibt keine Schäden, wenn man es benutzt. Und die unterschiedlichen Preise erklären sich dadurch, dass dieser Healy Medical, die günstigste Variante, die Medizinprodukt ist, die ist für 500 Euro erhältlich. Und dann gibt es die sogenannten Healy Wellness Edition. Die kosten dann deutlich mehr bis zu 4000 Euro und haben dann verschiedene Frequenzprogramme auf diesem kleinen Gerät. Das ist ungefähr so groß wie ein Smartphone, bisschen dicker oder Zigarettenschachtel oder wie immer man es vergleichen will. Und die vermeintlich besseren oder zumindest die teureren Healys sollen dann halt auch selber erkennen können, wenn man seinen Körper anschließt, welches Therapiemodul gerade benötigt wird. Das heißt, man schließt das Kabel an und dann sagt der Healy, heute ist die Galle problematisch, wir lassen jetzt das Gallenprogramm durchlaufen.

[CLIP]

Dr. Susanne Punsmann:
[21:56] Das sind aber nur Wellnessprodukte und keine Medizinprodukte wie das günstige Gerät. Wir haben auch lange gebraucht tatsächlich, bis wir den Unterschied verstanden haben und dass der Anbieter scheinbar auch nur die Zertifizierung für das günstigste als Medizinprodukt genommen hat, um die VerbraucherInnen da so ein bisschen in die Irre zu führen, weil die natürlich glauben, dass auch die ganzen Wellness-Produkte letztendlich Medizinprodukte sind, was sie aber nicht sind. Und insbesondere keineswegs garantiert ist, dass sie gegen diese oder jene Erkrankung helfen. Es gibt viele Erfahrungsberichte im Netz, in denen behauptet wird, dass der Healy denen dieses oder jenes geholfen hat. Und genau damit werben die Anbieter auch. Das ist dann nicht der Healy-Shop, bei dem man tatsächlich bestellt, der so wirbt, sondern der Healy wird in sogenannten Multilevel-Marketing vertrieben. Das heißt, es gibt selbstständige Vermittlerinnen, die den Healy bewerben auf ihrem Instagram-Kanal, in ihrem WhatsApp-Status, wo auch immer und dort diese Geschichte preisgeben.

Dr. Susanne Punsmann:
[23:09] Eine bestimmte Verkäufernummer haben und wenn dann ein Healy erfolgreich vermittelt wurde, dann bestellt man dann bei dem Healy-Onlineshop und gibt die Nummer des Vermittlers an und der kriegt dann die Provision aus dem erfolgten Verkauf. Deshalb ist natürlich auch, wenn ein Verkäufer oder eine Verkäuferin, eine selbstständige Vermittlerin sagt "Der Heli hat bei meiner Freundin Multiple Sklerose geheilt" oder ich lasse mir von jemandem auf meiner Internetseite eine Bewertung schreiben ins Gästebuch "So war es beim Heli. Seit ich den Healy benutze, habe ich keine Tumorschmerzen mehr. Mein Brustkrebs hat metastasiert und ich habe schlimme Tumorschmerzen gehabt, aber seit ich den Healy nehme, sind alle meine Schmerzen weg." Das ist unzulässig. Es mag - sogenannte anekdotische Evidenz - jemand sein, bei dem es placebomäßig geholfen hat, aber es fehlt an Studien, die genau das belegen. Auch der Healy hat sogenannte Zufriedenheitsstudien durchgeführt, Menschen gefragt, die den Healy seit so langer Zeit nutzen, ob sie damit zufrieden sind oder nicht. Das sind eher so Zufriedenheitsbefragungen. Und ganz ehrlich, wenn ich mehrere tausend Euro für ein Produkt ausgebe, dauert es schon ziemlich lange, bis ich mir eingestehen will, dass das eigentlich gar nichts taugt. Und es gibt jetzt mehrere Gerichte in Deutschland, die sagen, unter anderem das Landgericht und Oberlandesgericht Frankfurt, aber auch Stuttgart meine ich war es und Karlsruhe, die sagen, auch beim Medizinprodukt wollen wir bei der Werbung den sogenannten Goldstandard wahren. Das heißt, es müssen randomisierte, placebo-kontrollierte Doppelblindstudien durchgeführt werden. Das heißt, weder der an dem einen Ende weiß, womit der am anderen Ende getestet wurde und dann muss nachgewiesen werden, dass es hilft. Und solche Studien gibt es nicht, beziehungsweise nicht durchgehend und deshalb ist die Werbung so nicht erlaubt.

Patrick Lohmeier:
[25:12] Dreist sind viele Werbebotschaften und Versprechen sowieso. Das ist auch kein Phänomen jüngerer Zeit, geschweige denn des Internetzeitalters und da erzählen Ihnen und mir unsere Expertinnen vermutlich wenig Neues. Aber solche Werbung kann eben auch sehr smart sein. Den in großen Gänsefüßchen, sage ich jetzt mal, preiswerten Healy als Medizinprodukt zertifizieren zu lassen, um im Schatten dieses Zertifikats, den Deluxe Healy, also kein Medizin-, sondern ein Wellnessprodukt, wie Susanne berichtete, dann für mehrere tausend Euro zu verkaufen, das ist sowohl unverfroren wie auch, das muss man neidlos anerkennen, eine unverschämt intelligente Verkaufsstrategie. Bei der Verbraucherzentrale NRW prüft übrigens ein sogenannter Public Healther solche Medizinprodukte auf ihre Wirkung, beziehungsweise auf die zum Produkt gehörigen Studien und Siegel, die die Wirkung belegen sollen. Genau wie Nahrungsergänzungsmittel, die jedoch nur den Mindeststandards eines Lebensmittels aus dem Discounter um die Ecke gerecht werden müssen, versprechen aber auch Worte wie Studien oder Prüfsiegel mehr als sie halten. Denn diese Begriffe sind weder geschützt noch besonders streng definiert. Genauso wie übrigens Alternativmedizin.

[CLIP]

Angela Clausen:
[26:57] Dass Medfluencer und deren Botschaften bzw. ihre Dienstleistungen und Produkte, die es zu verkaufen gilt, in aller Munde sind, das ist sogar bei Jan Böhmermann bzw. In seiner Show ZDF Magazin Royale angekommen. Die hat nämlich Medfluencern einen ganzen Themenschwerpunkt gewidmet im Frühjahr 2025. Und ich gebe ja zu, nachdem ich mich für diese Podcastfolge durch viele Stunden Medfluencer-Werbung und Videos geklickt und geguckt habe, manchmal helfen wirklich nur Humor und vielleicht auch ein Hauch von Häme gegen diesen ganzen pseudomedizinischen Unfug. Aber hinter all diesen Geschichten stehen ja oft auch oder in sehr vielen Fällen Verbraucherinnen und Verbraucher als Geschädigte. Und sehr oft blieb mir nicht nur deswegen das Lachen im Halse stecken, sondern immer dann auch, wenn mir bewusst wurde, wie solche medizinisch bestenfalls halbgebildeten Menschen arbeiten, um ihren Einfluss zu mehren und ihre Bankkonten zu füllen. Meine Kollegin Susanne, die sich juristisch tagtäglich mit dem Thema Medfluencer auseinandersetzt, aber eben auch im Rahmen ihrer Arbeit vielen Menschen begegnet, Verbraucherinnen und Verbraucher, die Opfer wurden solcher selbsternannter Online-Heilerinnen und Heiler, hat mir von folgenden Fällen berichtet.

[CLIP]

Dr. Susanne Punsmann:
[28:43] Ich weiß nicht, ob dir Doc Alina etwas sagt. Das ist eine Influencerin, die Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Sie studiert Medizin und nennt sich Doc Alina. Doc Alina, ja, mit einem Angebot, was Gesundheitsfragen beinhaltet. Allein der Name Doc Alina suggeriert zumindest für mich, da ist eine promovierte Ärztin, ja. Das suggeriert es für mich und "Doc" ist einfach nur die, wie soll ich sagen, die Instagram-taugliche oder für die jüngere Zielgruppe spezifische, passende Abkürzung von Doktor. Statt Dr. med. Walbrun zu schreiben, schreibe ich lieber Doc Alina. Ja, die vertraulichere Ansprache für die Zielgruppe. Aber ich sehe darin Verstoß, weil es für mich suggeriert, ja, man findet es dann irgendwo, dass sie Medizinstudierende ist und auch mit ihrer Dissertation begonnen hat, aber weder das Medizinstudium ist abgeschlossen, noch die Dissertation. Ja, und ich meine, dass Doc Alina kein zulässiger Name ist, wenn man nicht promovierte Medizinerin ist. Aber das kann man durchaus vielleicht anders sehen.

Dr. Susanne Punsmann
[29:59] Wird ja irgendwann dann auch so auf ihrer Seite deutlich, aber sie nutzt es ja ganz konkret auch, um diese Nahrungsergänzungsmittel zu empfehlen. Und deshalb meine ich, sehe ich da einen Verstoß. Das ist aber trotzdem für mich kein, ich sage mal, kein Piece of Cake, von wegen "Sie Abmahnung geht auf jeden Fall durch, gewinne ich auf jeden Fall". Es kann durchaus sein, dass das Gericht sagt, "Ne, das halten wir für in Ordnung". Aber auch das wäre was, also womit ich insofern leben könnte, als dass wir damit schon ein Stück weiter sind, was ist eigentlich im Netz erlaubt und was es nicht erlaubt. Es gibt so vieles, was wir noch nicht wissen. Es hat ja ewig gedauert, bis wir wussten, dass bei Facebook und Instagram Influencer, wenn sie denn Werbung machen, das als solche kennzeichnen müssen. Bis dieser Paragraf ins Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb kam, das hat ja lange gedauert. Der kommerzielle Zweck muss auf den ersten Blick ersichtlich sein. Ja, darf also nicht irgendwo versteckt laufen und, und, und. Ja, das Internet gibt es schon eine Weile und Social Media gibt es auch schon eine Weile. Aber so, dass man darüber Sachen bewirbt, verkauft, da ist die Rechtsprechung einfach, die Rechtsprechung, aber auch die Gesetzgebung immer ein paar Jahre hinterher. Ja, und ich würde mich einfach über ein Urteil freuen, was sagt, "Doc" darf sich nur jemand nennen, der auch promoviert ist.

[CLIP].

Dr. Susanne Punsmann:
[31:41] Wenn ich Nahrungsergänzungsmittel vertreibe mit einer gesundheitsförderlichen Wirkung und mich "Doc" nenne, dass ich da gewisse Erwartungen dran stelle. Anders, als wenn ich mich in einem Forum "Bugs Bunny" nenne. Dann erwartet niemand, dass es sprechende Hasen sind. Wir haben jetzt aktuell den anderen Fall, hier mit Dr. Rick und Dr. Nick. Offizieller Name, Aesthetify GmbH, die wir ja abgemahnt hatten, wegen unzulässiger Vorher-Nachher-Fotos. Man findet nur von Dr. Nick eine Doktorarbeit im Netz, von dem anderen nicht. Und dann stellt sich heraus, dass er in seinem Impressum auf der Seite, dass "dr. med." immer klein geschrieben hat. Möglicherweise, er hat in Ungarn studiert, ist er in Ungarn mit einem absolvierten Medizinstudium, klein "dr. med." Wenn er das immer klein angibt und transparent hält und nicht sagt, ich habe promoviert, wäre das okay. Aber dann ist die Frage, wie ist denn das, wenn er sich ... sie treten ja nicht unter Aesthetify GmbH auf, sondern sind ja bekannt als Dr. Rick und Dr. Nick. Und in Großbuchstaben. Ist das jetzt ein zulässiger Nickname oder erwarten die Leute was anderes?

Patrick Lohmeier:
[32:55] Was machen Dr. Rick und Dr. Nick?

Dr. Susanne Punsmann:
[32:58] Dr. Rick und Dr. Nick bieten Schönheitseingriffe an, vorrangig Unterspritzungen mit Botox und Hyaluron. Neuerdings, zumindest auch in Düsseldorf, durch einen Facharzt auch weitergehende Schönheitsoperationen. Sie sitzen ja an mehreren Standorten.

Patrick Lohmeier:
[33:15] Also lande ich gar nicht bei Dr. Rick und Dr. Nick, wenn ich jetzt irgendwie als junger Mensch da hingehe und sage, hier ... ich sage junger Mensch, aber kann natürlich ein älterer Mensch sein, der sagt "Hier, bitte mal ein bisschen weniger Fallten!"

Dr. Susanne Punsmann:
[33:25] Doch, man kann bei Dr. Rick und Dr. Nick landen, muss das in der Terminbuchung angeben, zahlt dann aber mehr, damit gesichert ist, dass man bei einem von den beiden landet. Halte ich bedenklich übrigens nach der Gebührenordnung für Ärzte, dass wenn ich von einem bestimmten Arzt behandelt werden will, einen pauschalen Aufschlag zahle. Aber wird derzeit so praktiziert.

Patrick Lohmeier:
[33:48] Ist das Angebot, was Sie da machen, eigentlich okay so? Und dein Kritikpunkt ist hauptsächlich der, dass Sie eben mit einem falschen oder nicht belegbaren akademischen Titel werben?

Dr. Susanne Punsmann:
[33:58] Nein, das ist überhaupt nicht mein Hauptkritikpunkt. Wir sind von mehreren Eltern, besorgten Müttern aufmerksam gemacht worden auf die Werbung von Dr. Rick und Dr. Nick. noch bevor sie so berühmt waren, bevor sie bei ProSieben waren und, und, und. Weil sie in den sozialen Medien, Instagram, vor allen Dingen aber auch TikTok, mit Videos und Vorher-Nachher-Bildern werben und die Eltern einfach besorgt waren, weil sich ihre jugendlichen oder frisch erwachsenen Kinder zum nächsten Geburtstag Schönheitseingriffe bei Dr. Rick und Dr. Nick gewünscht haben.

Dr. Susanne Punsmann:
[34:38] Und klar, bei unzulässiger Werbung hat man nochmal so ein Kriterium, wenn sie sich nur an Kinder und Jugendliche richtet, da sind nochmal strengere Maßstäbe dran zu stellen. Das machen Dr. Rick und Dr. Nick nicht. Die richten sich ja, ich sag mal, an alle Altersgruppen, aber sie machen es halt besonders auffällig. Also mit Vorher-Nachher-Bildern von Unterspritzungen werben viele Ärztinnen, teilweise auch HeilpraktikerInnen, die ja auch Hyaluron unterspritzen dürfen, Botox nicht. Botox dürfen nur Ärztinnen und Ärzte. Das machen ganz, ganz viele Ärzte. Was uns da so aufgefallen ist, ist, dass die Patientinnen während der Behandlung gefilmt werden. Das heißt, ich bekomme einen Teil des Beratungsgesprächs mit in den sozialen Medien. Ich bekomme die Behandlung mit. Ich sehe, wie die Spritze auf und ab geht, die da den Filler unterspritzt.

Dr. Susanne Punsmann:
[35:51] Ich sehe hinterher, wie der behandelnde Dr. Rick oder Dr. Nick zur Patientin oder zum Patienten sagt "Wow, du siehst jetzt so toll aus, ist ja Wahnsinn, wie frisch das aussieht, wie toll du aussiehst!" Ist alles ist unterliegt mit locker flockiger Musik, und endet dann meistens damit, dass die Patientin oder Patient, ja meist den Patientinnen, Tränen in den Augen hat, weil sie so glücklich ist, dem Arzt um die Arme fällt, es wird sich geduzt. Ja, und sagt "Oh, ist ja Wahnsinn, Hammer!" Und dann werden nochmal diese Vorher-Nachher-Bilder gezeigt. Und diese emotionale Werbung, dieses, ist das eigentlich noch sachgemäße, sachgerechte Information, die der Arzt da betreibt oder nicht? Das ist eigentlich was Berufsrechtliches und man kann das zwar auch über, ich sag mal, über das Wettbewerbsrecht lösen, auch über eine Abmahnung lösen, aber da bin ich dann schon eher dabei, die Ärztekammern zu fragen, ob sie das denn für zulässig halten und konzentriere mich auf das, was sozusagen wettbewerbsrechtlich für mich dasteht. Und daher sind mir halt diese Vorher-Nachher-Bilder ins Auge gefallen. Vorher-Nachher-Bilder sind verboten für sogenannte operativ-plastisch-chirurgische Eingriffe nach dem Gesetz. Und da stellt sich die Frage, ist denn Unterspritzung schon ein plastisch-chirurgischer Eingriff und auch operativ? Wir sehen das so.

Dr. Susanne Punsmann:
[37:17] Das Oberlandesgericht Hamm hat uns auch Recht gegeben. Jetzt entscheidet der Bundesgerichtshof. Sie haben uns dann geschrieben, machen doch alle so. Haben uns auch einen Stapel von anderen Ärzten, Schönheitskliniken mitgeschickt, die alle vorher-nachher-Bilder drin haben. Aber wir haben dann gesagt, nee, da können wir jetzt das Klageverfahren. Wir wollen es jetzt gerne wissen. Und das ist unser Angriffspunkt konkret, um den wir uns da kümmern. Und wie gesagt, dass sie im Nachgang nach unserer Abmahnung so berühmt geworden sind, das war nicht abzusehen, sondern uns ist einfach diese, ich sag mal, diese ungewöhnliche Werbung aufgefallen. Weil Vorher-Nachher-Bilder suggerieren Erfolg. Ja, ist ein unzulässiges Erfolgsversprechen. Genauso wenig, wie ich damit werben kann, dass dieses oder jene Arzneimittel zu 100 Prozent gegen das und das hilft, kann ich nicht sagen, dass eine dünne Lippe hinterher nach dem Aufspritzen genauso aussieht wie auf dem Foto.

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Dr. Susanne Punsmann:
[38:40] Klar, es wird auch im Internet für alle sichtbar falsch geworden. Aber die wirklich krassen und zulässigen Werbeaussagen werden dann entweder auf einem Telegram-Kanal gemacht oder man wird zu einer Zoom-Konferenz eingeladen, zu einem elitären Kreis. Und da kommen dann die Protagonisten, die dann von ihren positiven Erfahrungen mit dem Produkt oder Nahrungsergänzungsmittel berichten und letzten Endes dann dafür sorgen, dass die Leute das bestellen.

Dr. Susanne Punsmann:
[39:11] Da hatte ich mich beispielsweise auch mal zu einer Healy-Zoom-Konferenz angemeldet und hatte da auch einen Herrn, der davon berichtet hat, dass bei ihm Multiple Sklerose diagnostiziert sei, aber seit er den Healy verwendet hat, hat er keinerlei Beschwerden mehr. So wie er erzählt hat, er wirkte recht unsicher da in dem Gespräch. Und wie gesagt, gewisse Erfahrungswerte waren mir einfach klar: Der hat keine offizielle Diagnose und der ist nur irgendwie dahingestellt worden, als Testimonial irgendwie bezahlt worden, dass er einen Healy dafür 20, 30, 40 Prozent billiger kriegt oder sonst irgendwas. Ja, und das ist das Erschreckende. Und wie gesagt, Telegram ist da wirklich so ein, ja, wer kritisch agiert und das macht nicht nur Zara Secret, da haben wir noch ein paar andere Kandidatinnen. Ich denke gerade an Gloria Bormann, die auch so arbeitet. Genau, und da werden dann die Sachen gezeigt, da werden auch Sachen vermischt und auch da läuft es dann immer so, die Menschen werden mitgenommen mit irgendwas, was so ein bisschen Konsens ist, ja, und dann entwickelt sich das Ganze dann hin, ja, zu einem Verkaufsgespräch, zu irgendwas, ja, was dann kritisch wird.

Patrick Lohmeier:
[40:37] Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht nach diesen Fällen. Doch das mit der angeblichen Power und Wohlbefinden durch Vitamine und Mineralien und das nach Vorbild eines Instagram-Filters optimierte Antlitz mit Botox und Hyaluronspritzen, diesen Fällen konnte ich sehr gut folgen, ehrlich gesagt. Also ich verstehe, was diese Angebote bewirken sollen und warum entsprechende Werbung vor allem bei den jeweiligen Zielgruppen in sozialen Netzwerken verfängt. Aber diese Schwingungen und Frequenzen, ich meine, was zum Teufel? Ich glaube, da muss ich mal nachfragen. Und vielleicht am besten gleich bei VerbraucherInnen, die auf online vertriebene Alternativmedizin setzen. Kleiner Spoiler dazu, die fehlende wissenschaftliche Evidenz und bestenfalls äußerst vage und unverbindliche Heilsversprechen sind kein Nachteil für die Influencer, die hochfrequente Heilsamkeit bewerben und verkaufen. Und leider sehen diesen bei nüchterner Betrachtung recht offensichtlichen Nachteil auch die meisten Kundinnen und Kunden nicht - weil Glaube Berge versetzen kann und sowieso und überhaupt. Und nun ja, in jedem Fall gibt es in der nächsten Episode "dürfen die das?" sehr viel mehr zu Influencern, die mit Frequenzen handeln und den Menschen, auf die man vielleicht stattdessen setzen sollte in Sachen Online-Werbung. Oder auch nicht.

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Patrick Lohmeier:
[42:27] "dürfen die das?" ist ein Podcast der Verbraucherzentrale Berlin, gefördert durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, und wird moderiert und produziert von mir, Patrick Lohmeier. Ich bedanke mich herzlich bei allen Menschen, die die Entstehung dieses Formats ermöglichen und mit Ihrer Expertise unterstützen. Sollten Sie Fragen, Kritik oder Themenwünsche haben, schreiben Sie mir gerne an podcast@vz-bln.de. Diese und weitere Kontaktmöglichkeiten und Informationen finden Sie natürlich auch im Begleittext zu dieser Episode. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.

 

Bei Fragen, Kommentaren und Themenwünschen rund um den Podcast erreichen Sie Patrick Lohmeier per E-Mail an podcast@vz-bln.de.

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