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Aus der Beratungspraxis – Angebotene Alternativen zu Verwahrentgelten

Stand:
Zwei Beispiele aus der Beratungspraxis der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: Von Banken angebotene Alternativen zu Verwahrentgelten
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Nachfolgende Beispiele stammen aus der Beratungspraxis des Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Angaben hinsichtlich personenbezogener Merkmale und der Anlagesummen wurden aus Datenschutzgründen geändert.

Fallbeispiel 1: Volksbank bietet teure Mischfonds und fondsgebundene Vermögensverwaltung an

Eine Verbraucherin (71 Jahre alt, in Rente), hat knapp 100.000 Euro zur freien Anlage zur Verfügung. Für den regelmäßigen Lebensunterhalt benötigt sie das Geld nicht. Bisher liegen ihre Ersparnisse hauptsächlich auf einem Tagesgeldkonto bei ihrer Hausbank, der örtlichen Sparkasse. Nachdem für dieses Konto nun ein Verwahrentgelt für Beträge über 50.000 Euro erhoben wird, hat sie bei einer anderen Bank, der örtlichen Volksbank, Angebote für die Geldanlage eingeholt. Zu diesen Angeboten hat sie sich bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg beraten lassen, weil sie die Vorschläge nicht beurteilen kann. Sie möchte einen Teilbetrag kurzfristig verfügbar und ohne Risiko anlegen, für Reisen und zur Unterstützung ihr nahestehender jüngerer Verwandter. Den Rest von rund 100.000 Euro wollte sie nicht fest anlegen, wäre aber bereit, für mehr Renditechancen Verluste von bis zu 25 Prozent hinzunehmen. Sie wollte sich über „nachhaltige ETFs“ informieren. Die Volksbank hat verschiedene Produkte vorgestellt, allerdings ohne Anlagesummen zu nennen. Auf diese Weise umgeht sie die rechtlichen Vorgaben für die Anlageberatung und muss der Verbraucherin keine „Geeignetheitserklärung“ aushändigen. Die vorgestellten Produkte sind nicht bedarfsgerecht:

Vorschlag 1: Aktiv verwalteter Mischfonds

Anlagestruktur: Der Schwerpunkt liegt mit 80% auf Aktien.
Anlagestrategie: Aktiv.
Kosten: Ausgabeaufschlag von 5%, laufende Kosten 1,62% p.a., zuzüglich weiteren Kosten, die abhängig sind von der nominalen Rendite.

Vorschlag 2: Aktiv verwalteter Aktienfonds

Anlagestruktur: Der Schwerpunkt liegt mit bis zu 100% auf Aktien.
Anlagestrategie: Aktiv.
Kosten: Ein Ausgabeaufschlag fällt nicht an, die laufenden Kosten liegen bei 1,80% p.a., zuzüglich weiterer Kosten, falls die Rendite über einem Vergleichsindex liegt.

Unsere Bewertung zu Vorschlag 1 und 2:

Mit einer Aktienquote von 80 bzw. bis zu 100 Prozent kann das mögliche Risiko höher sein als von der Rentnerin gewünscht. Die hohen Kosten des Fonds gehen direkt zu Lasten der erzielbaren Rendite, während die Risiken aber in voller Höhe die Rentnerin zu tragen hat. Allein die jährlichen Kosten betragen rund das Zehnfache dessen, was für Aktienfonds mit einer evidenzbasierten passiven Anlagestrategie (ETFs) verlangt wird.  Würde die Rentnerin 100.000 Euro so anlegen, müsste sie je nach Fonds bis zu 5.000 Euro Ausgabeaufschlag bezahlen, eine Provision, die direkt der Volksbank zugutekäme (Vorschlag 1). Außerdem erhält die Volksbank automatisch jährlich Vertriebsfolgeprovisionen von der Fondsgesellschaft.

Vorschlag 3: Nachhaltig ausgerichteter konservativer Mischfonds

Anlagestruktur: Der Schwerpunkt liegt auf Zinspapieren, die Aktienquote beträgt 33%
Anlagestrategie: Aktiv, mit Nachhaltigkeitsaussage. Diese beruht auf Ausschlusskriterien, welche zum Teil an Umsatzschwellen gebunden sind (mit Werten zwischen 5 und 25 Prozent). Datengrundlage der Nachhaltigkeitsaussagen sind u.a. „Daten verschiedener Anbieter“, „Recherchen von Stimmrechtsberatern“ oder „Unternehmensbefragungen“ sowie „interne Recherchen“.
Kosten: Ein Ausgabeaufschlag fällt nicht an, die laufenden Kosten liegen bei 1,80% p.a.

Vorschlag 4: Fondsvermögensverwaltung

Anlagestruktur: Die wesentlichen Anlageklassen laut Angebot sind mit 47,5% Renten- und mit 35% Aktienwerte. Es kommen zwei standardisierte Multi Asset Fonds zum Einsatz, ergänzt um einen Baustein, bei welchem die Bank nach eigener Strategie und Kundenprofil Fonds auswählt. Bei dem Angebot handelt es sich um eine sogenannte White-Label-Lösung, bei der die jeweilige Volksbank die wesentlichen Konditionen selbst festlegt.
Anlagestrategie: Aktiv.
Kosten: Über die mit dem Angebot verbundenen Kosten hat die Verbraucherin keine schriftlichen Informationen enthalten. Sie sind auch im ausgehändigten „Kurzporträt“ nicht aufgeführt. Eine Internet Recherche offenbart aber, dass andere Volksbanken für das Produkt unterschiedlich hohe „Servicegebühren“ in Rechnung stellen. Meist werden diese auf den Internetseiten nicht transparent offengelegt, sondern allenfalls in Fußnoten des Werbematerials. Im Rahmen einer Stichprobe der Verbraucherzentrale liegen diese Kosten im Bereich zwischen 1,25% und 1,8% p.a., ggf. zuzüglich Kosten auf Ebene der Fonds.

Unsere Bewertung zu Vorschlag 3 und 4:

Hinsichtlich des Risikos sind die beiden Vorschläge nicht zu beanstanden. Allerdings ist im aktuellen Zinsniveau angesichts der verfolgten Anlagestrategie, die einen Schwerpunkt auf Zinspapiere legt, keine Wertentwicklung zu erwarten, welche die hohen laufenden Kosten der beiden Alternativen auszugleichen vermag. Man muss hier also eher mit Verlusten als mit Erträgen rechnen. Der Bedarf, nachhaltig anzulegen, wurde hier zwar zum Teil aufgegriffen. Allerdings wurde dieser weder konkret nachvollziehbar erhoben noch mit den Produkteigenschaften abgeglichen. Schließlich sind die Nachhaltigkeitsaussagen auch nicht überprüfbar.

Fallbeispiel 2: Sparkasse und Volksbank bieten zu teure Fonds bzw. fondsgebundene Vermögensverwaltung an

Eine Verbraucherin (63 Jahre alt) hat rund 135.000 Euro geerbt (angelegt im Rahmen einer Fondsvermögensverwaltung), weitere 165.000 Euro sind auf einem Girokonto bei der Volksbank sowie einem Sparbuch bei der Sparkasse angelegt, wofür sie zum Teil bereits Verwahrentgelte bezahlen muss. Ihre Rente von 870 Euro reicht für ihre Lebenshaltungskosten nicht aus, weshalb sie, solange sie das noch kann, einem Nebenjob nachgehen und zusätzlich 400 Euro monatlich aus dem Vermögen entnehmen muss. Für ihre Rücklage sowie zur Deckung des monatlichen Entnahmebedarfs für die nächsten 10 Jahre möchte sie 80.000 Euro sicher anlegen. Bezüglich des restlichen Anlagebetrages von 220.000 Euro ist sie unschlüssig, ob sie dies wie bislang im Rahmen der Fondsvermögensverwaltung sowie auf Girokonten anlegen oder dafür eine kleine Wohnung zur Selbstnutzung kaufen sollte. Für den Wohnungskauf könnte und würde ihre Tochter sie finanziell unterstützen. Sie hat sich bei der Sparkasse und der Volksbank nach nachhaltigen Geldanlagemöglichkeiten erkundigt und bat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg um Einschätzung zu deren Angeboten. Sie wäre bereit, für mehr Renditechancen Verluste von bis zu 10 Prozent hinzunehmen.

Vorschlag der Sparkasse: „Individuelle Handlungsempfehlung zur Optimierung Ihrer Vermögensstruktur“

Im Gespräch hat die Sparkasse empfohlen, die Anlage von 80.000 Euro, die sich derzeit auf dem Sparbuch bei der Sparkasse befinden, wie folgt anzulegen:

Anlagestruktur: Für einen Anteil von 45 % wurde ein Rentenfonds empfohlen. Für einen Anteil von 30% wurde ein sogenannter Multi Asset Fonds empfohlen, der derzeit zu 80% direkt oder indirekt in Renten oder Liquidität investiert ist und zu 20% in Aktien. Für den restlichen Anteil wurde ein offener Immobilienfonds empfohlen.
Anlagestrategie: Aktiv, bezüglich des Rentenfonds mit Nachhaltigkeitsaussage. Die Nachhaltigkeitsaussage beruht unter anderem auf ein „betriebsinternes ESG-Risikostufenmodell“, bei dem Emittenten ausgeschlossen werden, wenn sie eine „ESG-Bewertung von weniger als B von MSCI ESG Research LLC oder einer vergleichbaren ESG-Bewertung von einem anderen Anbieter“ aufweisen. Außerdem setze sich die Fondsgesellschaft „im Dialog mit den Emittenten“ für eine nachhaltige Unternehmensführung ein.
Kosten: Ausgabeaufschläge, für den Rentenfonds in Höhe von 2,5%, für den Multi-Asset-Fonds in Höhe von 3% und für den Immobilienfonds in Höhe von 5,26%. Die laufenden Kosten liegen im Schnitt bei rund einem Prozentpunkt pro Jahr.

Unsere Bewertung:

Der konkrete Vorschlag der Sparkasse ist viel zur riskant für die Rentnerin, die nicht mehr als 10 Prozent des Anlagebetrages riskieren will und auf das Geld angewiesen ist. Renten- und Multi Asset Fonds sind außerdem so teuer, dass damit im aktuellen Zinsniveau unterm Strich keine positive Wertentwicklung zu erwarten ist. Beim Immobilienfonds sind die Einmalkosten so hoch, dass erst nach vier Jahren mit einer positiven Rendite zu rechnen ist. Der Bedarf, nachhaltig anzulegen, wurde hier zwar zum Teil aufgegriffen. Allerdings wurde dieser weder konkret nachvollziehbar erhoben noch mit den Produkteigenschaften abgeglichen. Schließlich sind die Nachhaltigkeitsaussagen auch nicht überprüfbar. Würde die Rentnerin 80.000 Euro so anlegen, müsste sie laut ausgehändigter „Ex-ante Transparenz“ Informationen rund 2.600 Euro einmalige Kosten tragen. Dieser Betrag geht als Provision fast vollständig an die Sparkasse. Über die Möglichkeit, eventuell freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung zu leisten, wurde nicht gesprochen.

Vorschlag der Volksbank:  Fondsvermögensverwaltung oder Rentenversicherung

Eine konkrete Anlageempfehlung wurde nicht vorgelegt. Es wurden lediglich zwei Produktalternativen anhand von Werbematerial vorgestellt.

1.    Alternative: Fondsvermögensverwaltung

Anlagestruktur: Laut „Kurzporträt“ darf das Geld hier zu maximal 60% in Aktien investiert werden. Dazu wird das Geld in zwei standardisierte Multi Asset Fonds investiert, ergänzt um einen Baustein, bei welchem die Bank nach eigener Strategie und Kundenprofil Fonds auswählt. Bei dem Angebot handelt es sich um eine sogenannte White-Label-Lösung, bei der die jeweilige Volksbank die wesentlichen Konditionen selbst festlegt.
Anlagestrategie: Aktiv, mit Nachhaltigkeitsaussage.
Kosten: Über die mit dem Angebot verbundenen Kosten hat die Verbraucherin keine schriftlichen Informationen enthalten. Sie sind auch im ausgehändigten „Kurzporträt“ nicht aufgeführt. Eine Internet Recherche offenbart aber, dass andere Volksbanken für das Produkt unterschiedlich hohe „Servicegebühren“ in Rechnung stellen. Meist werden diese auf den Internetseiten nicht transparent offengelegt, sondern allenfalls in Fußnoten des Werbematerials. Im Rahmen einer Stichprobe der Verbraucherzentrale liegen diese Kosten im Bereich zwischen 1,25% und 1,8% p.a., ggf. zuzüglich Kosten auf Ebene der Fonds.

Unsere Bewertung:

Die vorgestellte Produktalternative der Volksbank ist viel zur riskant für die Rentnerin, die nicht mehr als 10 Prozent des Anlagebetrages riskieren will und auf das Geld angewiesen ist. Die hohen laufenden Kosten reduzieren die erzielbare Rendite erheblich. Der Bedarf, nachhaltig anzulegen, wurde hier zwar zum Teil aufgegriffen. Allerdings wurde dieser weder konkret nachvollziehbar erhoben noch mit den Produkteigenschaften abgeglichen. Schließlich sind die Nachhaltigkeitsaussagen auch nicht überprüfbar.

2.    Alternative: Private Rentenversicherung mit gemanagten „Multi Asset“-Anlagestrategien

Anlagestruktur: Dem ausgehändigten Werbematerial zufolge soll die Rentnerin „doppelt profitieren“, einerseits durch die Chancen einer „aktiv gemanagten“ Anlagestrategie, die überdies Nachhaltigkeitsziele berücksichtigen soll, und andererseits durch eine Rentenversicherung. Es wurden drei Varianten mit Aktienquoten von 30%, 45% und 60% vorgestellt. Daneben soll in Renten- und sogenannte „Absolut Return“ Papiere investiert werden.
Anlagestrategie: Aktiv.
Kosten: Konkrete Informationen zu den Kosten wurden nicht ausgehändigt. Laut Webseite des Anbieters liegen die laufenden Kosten der zur Wahl stehenden Mischfonds zwischen 1,90 und 2,25% p.a. Ferner ist mit branchenüblichen Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten für die private Rentenversicherung zu rechnen, insbesondere mit Einmalkosten, welche vom Versicherer überwiegend wieder als Provision an die vermittelnde Bank fließen.

Unsere Bewertung:

Die Mischfonds sind so teuer, dass damit im aktuellen Zinsniveau unterm Strich kaum positive Wertentwicklungen zu erwarten sind. Die Werbung mit „Absolut Return“-Strategien ist im aktuellen Zinsumfeld unseriös, weil sie eine positive Rendite suggerieren, die diese aber nicht zuverlässig gewährleisten können. Der Bedarf, nachhaltig anzulegen, wurde hier zwar zum Teil aufgegriffen. Allerdings wurde dieser weder konkret nachvollziehbar erhoben noch mit den Produkteigenschaften abgeglichen. Schließlich sind die Nachhaltigkeitsaussagen auch nicht überprüfbar.

 

 

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