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Treppenliftverträge können sehr wohl widerrufen werden

Stand:
Landgericht Bielefeld, Urteil vom 22.5.2020, Az. 10 O 54/19
Oberlandgericht Hamm, Urteil vom 10.12.2020, Az. I-4 U 81/20

Die Treppenlifthersteller haben sich bisher geweigert ihren Kunden ein gesetzliches Widerrufsrecht einzuräumen.

Landgericht Bielefeld, Urteil vom 22.5.2020, Az. 10 O 54/19
Oberlandgericht Hamm, Urteil vom 10.12.2020, Az. I-4 U 81/20

Der Treppenlifthersteller hat gegenüber dem Verbraucher behauptet, dass diesem nach Vertragsschluss kein Widerrufsrecht zustehe, da es sich um einen Werklieferungsvertrag, also Kaufvertrag, handele und Teile des Treppenlifts individuell an das jeweilige Treppenhaus angepasst werden müssten. Die meisten Treppenliftverträge werden in den Wohnungen der Verbraucher, also außerhalb der Geschäftsräume des Anbieters abgeschlossen. Bei Werkverträgen die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden hat der Verbraucher gemäß §§ 355, 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht.

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Würde es sich bei dem Treppenliftvertrag tatsächlich um einen Werklieferungsvertrag, handeln, könnte sich der Anbieter auf den § 312g Abs. 2 Nr.1 BGB berufen und das Widerrufsrecht wäre ausgeschlossen. Bei einem Werkvertrag gibt es ein solches Ausschlussrecht nicht, da die Herstellung einem individuellen Werk geschuldet wird und daher das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen werden kann.Die Treppenlifthersteller haben sich bisher geweigert ihren Kunden ein gesetzliches Widerrufsrecht einzuräumen, mit der Begründung, es handele sich bei Treppenliftverträgen, trotz des Einbaus, lediglich um Werklieferungsverträge, also eine Form des Kaufvertrags. Da die Liftbestandteile für den jeweiligen Kunden teilweise individuell angepasst werden müssen, stehe dem Verbraucher kein Widerrufsrecht zu.

Die Verbraucherzentrale geht bei Verträgen bei denen ein Treppenlift inklusive Montage und Einbau angeboten wird von Werkverträgen aus. Im Rahmen eines Werkvertrages kommt es dem Verbraucher darauf an, dass er einen funktionierenden gebrauchsfertigen Treppenlift erhält. Mit den Teilen des Liftes, ohne dass diese eingebaut werden, kann der Verbraucher nichts anfangen. Da also der Einbau des Treppenlifts das entscheidende Element ist, handelt es sich um einen Werkvertrag. Unserer Ansicht ist nach dem Landgericht Bielefeld nun auch die zweite Instanz, das Oberlandesgericht Hamm, gefolgt.

In seiner Begründung stellt das OLG klar, dass natürlich der Einbau des Treppenliftes das bestimmende Element des Vertrags ist und eben nicht die Anlieferung der Einzelteile. Mit den Teilen ohne Montage kann der Verbraucher nichts anfangen. Dabei spielt es keine Rolle, so das OLG, dass die Kosten des Einbaus nur etwa 4 % der Gesamtkosten betragen. Darauf komme es nicht an und das Verhältnis zwischen Einbaukosten und den Materialkosten kann kein Maßstab dafür sein, um welche Art von Vertrag es sich handele. Dieses Ergebnis gibt gerade alten, vulnerablen Verbrauchern die Möglichkeit, sich in Ruhe unbeeinflusst zu überlegen, ob es wirklich eine gute Idee ist, sich einen Treppenlift anzuschaffen – nachdem der Vertreter wieder gegangen ist. Denn hier erwarten den Verbraucher meistens Kosten im fünfstelligen Bereich. Umso wichtiger ist es, Verbraucher gerade in diesen Fällen vor übereilten Vertragsabschlüssen zu schützen.

Das bedeutet für alle Verbraucher, die gar nicht oder falsch über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sind, dass sich die Widerrufsfrist um 12 Monate verlängert und somit der Vertrag noch 12 Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss widerrufen werden kann.

Zum Volltext der Entscheidung:

Urteil Landgericht Bielefeld vom 22.5.2020 (Az. 10 O 54/19)

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