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50 Mark für nichts

Stand:
1970. Seit Monaten gingen in der Geschäftsstelle der Verbraucherzentrale in Stuttgart Beschwerden über Maklerbüros ein. Die Ankündigung, dass die Verbraucherzentrale die Fälle sammeln und ein Schwarzbuch herausgeben wollte, hatte eine richtige Brieflawine ausgelöst: die Beschwerden hatten es in sich
Frau verteilt Flugblatt auf der Straße
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Gebühr ohne Vermittlung

"Ich brauchte dringend eine Wohnung und habe deshalb nach anderen vergeblichen Versuchen im Maklerbüro … vorgesprochen. Dort wurden mir von einem Angestellten zwei verlockende Angebote unterbreitet – allerdings erst auszuhändigen nach Zahlung der bewußten Verwaltungsgebühr in Höhe von DM 50,- zuzüglich 11% Mehrwertsteuer."

Aus: Schwarzbuch "Dokumentation der Wohnungsvermittlung"

 

Seit Monaten gingen in der Geschäftsstelle der Verbraucherzentrale in Stuttgart Beschwerden über Maklerbüros ein. Die Ankündigung, dass die Verbraucherzentrale die Fälle sammeln und ein Schwarzbuch herausgeben wollte, hatte eine richtige Brieflawine ausgelöst – und die Beschwerden hatten es in sich. 50 Mark Verwaltungsgebühr vorab waren lange nicht das Ende der Fahnenstange. Die Geschichte ging weiter:

"Bei meiner ersten Kontaktaufnahme mit dem Vermieter, der angeblich schon drei Jahre über das Büro … vermietet, stellte sich heraus, daß die Wohnungen ausschließlich an Damen vermietet werden (Ich bin Junggeselle). Trotz dieses eindeutigen Sachverhalts weigerte sich der Betreffende die Gebühr zurückzuzahlen."

Aus: Schwarzbuch "Dokumentation der Wohnungsvermittlung"

Beschwerden stapeln sich

Ordner der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mit Beschwerdebriefen über Wohnungsmakler
Ordner der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mit Beschwerdebriefen über Wohnungsmakler

Es war Frühling, das Jahr 1970, und Protest lag in der Luft. Wer etwas ändern will, muss laut werden, auf sich aufmerksam machen – diese Überzeugung vertrat zumindest Dr. Siegfried Bluth, der junge Journalist, der seit kurzem freiberuflich als Pressesprecher für die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg arbeitete. Mit der Ankündigung des Schwarzbuchs hatte er jedenfalls schon einmal jede Menge Staub aufgewirbelt.
Die Beschwerdebriefe stapelten sich auf den Schreibtischen der Sekretärin und Geschäftsführerin, das Telefon klingelte pausenlos. Häufig schnappte sich Siegfried Bluth selbst den Hörer und protokollierte die Gespräche, er sammelte die Briefe, sortierte sie nach Art der Beschwerde, prüfte, wägte ab und wählte schließlich 25 typische Schilderungen aus, um sie im April 1970 als „Dokumentation der Wohnungsvermittlung“ zu veröffentlichen. Das Ganze als Schwarzbuch zu bezeichnen war etwas hochgegriffen, denn eigentlich handelt es sich einfach um 20 mit der Schreibmaschine beschriebene Seiten, die Bluth in einem Aktenordner zusammenheftete und so der Öffentlichkeit präsentierte.

Protest vor Ort

Eine Frau verteilt Flugblätter auf der Straße
Flugblattaktion der Verbraucherzentrale

Am Freitag, dem 24. April 1970, veröffentlichte die Verbraucherzentrale das Schwarzbuch. Am selben Tag gingen Siegfried Bluth und eine Kollegin vor einem der Maklerbüros auf dem Bürgersteig auf und ab und verteilten Flugblätter, in denen Passanten über die Missstände informiert und gewarnt wurden.

Ein Kamerateam des Süddeutschen Rundfunks war vor Ort und filmte. Junge Leute mit Flugblättern und ein Fernsehteam mit Kamera und Mikrofon: Was will man mehr, wenn man wütend aus einem Maklerbüro herauskommt? Um die Mitarbeiter der Verbraucherzentrale und die Journalisten hatte sich bald eine Menschentraube versammelt und einige der Anwesenden machten ihrem Ärger Luft.

Gegenwind von aufgeregten Maklern

Am Montag und Dienstag gingen in der Verbraucherzentrale und bei Siegried Bluth anonyme Drohungen ein. Die Anrufer forderten, dass die Verbraucherzentrale aufhörte, gegen unseriöse Wohnungsvermittler vorzugehen und drohten mit „Mord“, „Fertigmachen“, „Umlegen“ und sogar damit, die Verbraucherzentrale in die Luft zu sprengen.

Standhalten lohnt sich

Keine drei Wochen später war die öffentliche Empörung über die Maklerabzocke so stark gestiegen, dass der Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg, Dr. Hans-Otto Schwarz, sich zu dem Thema äußerte.  Er kündigte an, dass er sich bei der Bundesregierung für eine neue gesetzliche Regelung der Maklergebühren einsetzen würde. Und er hielt Wort. 1971 wurde das Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung verabschiedet. Damit waren Vorausgebühren ab sofort rechtswidrig und Makler durften nur noch Gebühren für tatsächlich erbrachte Leistungen berechnen. Wohnungssuchende müssen seitdem erst dann Geld an den Makler abdrücken, wenn er ihnen tatsächlich eine Wohnung vermittelt hat.

 

Wie es weiterging? Erfahren Sie hier: Der Tiger hat Zähne

 

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