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Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Verbandsklageumsetzungsrichtliniengesetz (VRUG)

Stand:
Unser Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie (EU) 2020/1828 zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher (Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG)) vom 3.März 2023
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Würdigung

Mit dem Entwurf des Umsetzungsgesetzes Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG) sollen qualifizierte Verbraucherverbände ermächtigt werden, Kollektivinteressen von Verbraucherinnen und Verbrauchern mit Verbandsklagen, namentlich Musterfeststellungsklagen und Abhilfeverfahren zugunsten der betroffenen Verbraucher:innen durchzusetzen. Der Entwurf enthält in Artikel 1 einen Entwurf zum Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG).
Mit dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) wird ein neues Regelwerk für Musterfeststellungsklagen und Abhilfeverfahren geschaffen, zugleich werden mit dem VRUG bestehende gesetzliche Regelungen, wie das Unterlassungsklagengesetz (U-KlaG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und weitere gesetzliche Regelungen ergänzt und vervollständigt. Die schon bestehenden Verbandsklagerechte werden mit der Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie deutlich erweitert. Künftig können qualifizierte Verbraucherverbände individuelle Leistungsrechte von Verbraucher:innen durchsetzen.
Mit dem VRUG werden äußerst wichtige Verbesserungen im Verbraucherschutz festgeschrieben. Das vom Richtliniengeber in der EU-Richtlinie anvisierte Ziel der Verwirklichung eines hohen, vor allem auch wirksamen und effizienten Verbraucherschutzes gerade im Hinblick auf eine Abhilfeklage ist nicht immer stringent umgesetzt. Mit der Abhilfeklage sollen Hindernisse abgebaut werden, denen Verbraucher:innen bei Einzelklagen begegnen. Zugleich sollen Gerichte von einer Flut von Individualklagen entlastet werden. Ein notwendiges Gleichgewicht zwischen der Verbesserung des Zugangs der Verbraucher:innen zum Recht und der Gewährleistung angemessener Schutzmaßnahmen für Unternehmen soll gewahrt werden.
Im vorliegenden Referentenentwurf des VDuG (Artikel 1 des VRUG) werden allerdings unnötige Hindernisse für die Unterstützung und Hilfe suchenden Verbraucher:innen und die klageberechtigten Stellen aufgestellt. Dies zeigen die folgenden Ausführungen unserer Stellungnahme.

a) Kleine Unternehmer - § 1 Abs. 2 VDuG-E

Nach § 1 Abs. 2 VDuG sind kleine Unternehmen mit einer Jahresbilanz von bis zu 10 Mio Euro Umsatz, mit weniger als 50 Beschäftigten Verbrauche:innern gleichgestellt. Damit soll „kleinen“ Unternehmen ermöglicht werden, sich Verbandsklagen anzuschließen.
Allerdings werden Unternehmen nach den Satzungen der Verbraucherverbände nicht von diesen repräsentiert. Verbraucherverbänden ist es qua Satzung nicht möglich die Interessen von kleinen Unternehmen im Rahmen von Kollektivklagen wahrzunehmen.
Inwieweit kleine Unternehmen von einer verbraucherrechtswidrigen Praxis gleichermaßen wie Verbraucher:innen betroffen sind ist überdies fraglich. Ansprüche, die in einer Abhilfeklage gebündelt werden, müssen "gleichartig" sein, vgl. § 15 VDuG. Bereits kleinere Variationen bei der rechtlichen Bewertung oder dem zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt könnten zur Unzulässigkeit der Verbindung innerhalb einer Abhilfeklage führen. Vor diesem Hintergrund erschient die mögliche Einbeziehung von Kleinunternehmen in ein Abhilfeverfahren schädlich. Die Gefahr, dass mit Einbeziehung von Unternehmen eine an sich zulässige Abhilfeklage unzulässig wird, birgt ein großes Risiko für Verbraucher:innen und die klagebefugten Verbände.

Lösung
§ 1 Abs. 2 VDuG ist zu streichen.

b) Ausschließliche Zuständigkeit OLG - § 3 VDuG-E, Art. 9 Nr. 16 VRUG-E, Änderung § 6 Abs. 1 Satz 1 UKlaG

Durch die Änderung des § 6 Abs. 1 Satz 1 UKlaG soll künftig für alle Verbandsklagen nach dem UKlaG das Oberlandesgericht die Eingangsinstanz sein, nur bei Klagen nach dem UWG soll weiterhin das Landgericht Eingangsinstanz sein, vgl. § 8 Abs. 5 Satz 3 UWG.
Begründet wird dies mit der Breitenwirkung der durch die Abhilfe- und Musterfeststellungsklagen geltend gemachten Ansprüche und der damit einhergehenden Bedeutung der Sache.
Das bedeutet aber, dass sämtliche Klagen auf Unterlassung nach dem UKlaG beim Oberlandesgericht zu erheben sind, also auch auch Verbandsklagen auf Unterlassung, die von vornherein nicht auf ein Abhilfeverfahren ausgerichtet sind. Auf ein derartiges Klagaufkommen sind die Oberlandesgerichte personell nicht eingerichtet. Das Bestimmen der Oberlandesgerichte als Eingangsgerichte für alle Verbandsklagen nach dem UKlaG wird zu erheblichen Verlängerungen und Verzögerungen der Verbandsklageverfahren führen.
Auch nach der Erhebung von Verbandsklagen gemäß § 8 UWG kann ein Abhilfeverfahren zugunsten der berechtigten Interessen der Verbraucher:innen angestrengt werden. Es ist nicht sachdienlich, dem erstinstanzlichen Landgericht in einem Verbandsklageverfahren nach § 8 UWG auf Unterlassung die Möglichkeit der weiteren Entscheidungsfindung in einem Abhilfeverfahren vorzuenthalten. Das erstinstanzliche Gericht hat sich bereits im Hauptsacheverfahren auf Unterlassung mit dem Streitgegenstand ausgiebig beschäftigt. Alleine mit einer möglichen Breitenwirkung und Bedeutung der Sache ist es nicht zu begründen, dass ein weiteres Gericht, in diesem Fall ein Oberlandesgericht, sich neu in den Sachverhalt einarbeiten muss.
Eine solche Regelung dient weder der Entlastung der Gerichte noch der zügigen Bearbeitung.
Durch die Festlegung der Oberlandesgerichte als Eingangsgerichte für alle Verbandsklagen nach dem UKlaG werden Verfahren deutlich länger dauern. Das „Nadelöhr“ Oberlandesgericht dient nicht der in der Richtlinie vorgegebenen verfahrensrechtlichen Eile bei Abhilfeverfahren und Unterlassungsverfahren, die ebenfalls Ziel der Richtlinie ist (vgl. Erwägungsgrund 67 der Richtlinie EU 2020/1828).
Insgesamt dient die Festlegung des OLG als Eingangsinstanz aller Verbandsklagen nach UKlaG im Hauptsacheverfahren und einstweiligen Verfügungsverfahren nicht dem Verbraucherschutz!
Dies verdeutlichen folgende Zahlen eindrücklich: Alleine von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. wurden im Jahr 2022 101 Verbandsklagen beim Landgericht auf Unterlassung zum Schutze der Verbraucher:innen erhoben. In 42 der angestrengten Verbandsklageverfahren konnte bereits im gleichen Jahr eine erstinstanzliche Entscheidung herbeigeführt werden. Nur in 14 Verfahren, die zum Teil auch auf Klagen aus dem Jahre 2021 beruhten, wurden die Oberlandesgerichte in zweiter Instanz angerufen.
Alleine die ersten prozessleitenden Maßnahmen bzw. die Terminierungen für die mündlichen Verhandlungen bei den Oberlandesgerichten erfolgen momentan in den Berufungsverfahren mit einem zeitlichen Vorlauf von 9 Monaten bis 1,5 Jahren.
Der Vorteil, in kurzen Verfahrenslaufzeiten erstinstanzliche Entscheidungen zugunsten der Verbraucher:innen zu erstreiten, wird mit der Bestimmung des Oberlandesgerichtes als Eingangsgericht aufgegeben. Mit der geplanten Umsetzung der Richtlinie wie im Referentenentwurf angedacht, wird damit der Schutz der Verbraucher:innen nicht verbessert sondern verschlechtert.
Zu bedenken ist weiter, dass von den Oberlandesgerichten Beweisaufnahmen regelmäßig nicht durchgeführt werden. Müssen die Oberlandesgerichte nicht nur Berufungsverfahren, in denen die Beweisaufnahmen, wie etwa Zeugenvernehmungen und Sachverständigengutachten, bereits vom erstinstanzlichen Landgericht durchgeführt worden sind, bearbeiten, wird es unabhängig von der doch erheblichen Anzahl an neuen Verfahren auch noch zu einer weiteren Verlängerung der Bearbeitungszeiten aufgrund der nun erforderlichen Sachverhaltsaufklärung und ggfls. Beweisaufnahme kommen.
Zu bedenken ist auch, dass Verbraucher:innen Individualklagen unmittelbar beim Amtsgericht oder Landgericht anhängig machen können und so schnell ein gerichtliches Ergebnis erzielen können. Welchen Grund haben Verbraucher:innen sich einer Verbandsklage auf Abhilfe, die beim Oberlandesgericht anhängig zu machen ist und entsprechend lange Verfahrenszeiten hat, anzuschließen, wenn die eigene Individualklage deutlich schneller zu einem Ergebnis führt.
Problematisch ist auch, dass zwar bei Abhilfeverfahren nach § 16 Abs. 4 VDuG eine Revision zulässig ist, aber eine entsprechende Norm im UKlaG für die weiteren Ver- bandsklagen nicht vorgesehen ist. Damit wird zum einen der Instanzenweg für Verbandsklagen in nicht nachvollziehbarer Weise eingeschränkt bzw. ganz gestrichen, zum anderen wird auch für die zweite Instanz ein vorhersehbarer erheblicher Verfahrensstau beim Bundesgerichtshof, als der Revisionsinstanz, geschaffen.

Lösung
In § 3 VDuG sollte eine sachliche Zuständigkeit beim Oberlandesgericht allenfalls für Musterfeststellungsklagen festgeschrieben werden, andere Verbandsklagen, insbesondere Klagen nach dem UKlaG und auch Abhilfeverfahren, müssen erstinstanzlich bei den Landgerichten angesiedelt bleiben bzw. werden. Da die vorgesehene Änderung in § 6 Abs. 1 UKlaG nicht dem Verbraucherschutz und der gebotenen Eile bei der Bearbeitung von Unterlassungsansprüchen dient, ist diese zu streichen.

c) Verbraucherquorum - § 4 und § 5 VDuG-E

Eine Abhilfeklage und auch eine Musterfeststellungsklage sollen nur zulässig sein, wenn die Ansprüche von mindestens 50 Verbraucher:innen betroffen sind und bereits mit der Klageerhebung glaubhaft gemacht werden. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, so die Begründung, dass keine Abhilfeverfahren mit lediglich individueller Bedeutung geführt werden.
Voraussetzung für eine zulässige Abhilfeklage ist die Gleichartigkeit der Ansprüche der Verbraucher:innen. Bereits kleine Abweichungen können zu einem Ausscheiden eines Verbrauchers/einer Verbraucherin führen und im Hinblick auf das hohe Quorum zu einer Unzulässigkeit der Abhilfeklage.
Bei Musterfeststellungsklagen reicht derzeit nach § 606 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die Glaubhaftmachung von 10 betroffenen Personen aus. Mit der jetzt geforderten Glaubhaftmachung von 50 betroffenen Personen auch bei Musterfeststellungsklagen wird insgesamt die Schwelle angehoben. Die Möglichkeit präventiv gerichtliche Entscheidungen im Wege der Musterfeststellungsklage herbeizuführen wird gehemmt. Zugleich wird bei Abhilfeverfahren die reale Möglichkeit erfolgreich Verfahren für Verbraucher:innen zu führen beschränkt. Damit erschwert der Referentenentwurf die Durchsetzung der Rechte, die Richtlinie hat insoweit als gangbaren Weg aufgezeichnet, dass Verbandsklagen in Form von Abhilfeverfahren und auch Musterfeststellungsklagen möglich sein müssen, wenn lediglich die Betroffenheit einer Gruppe glaubhaft gemacht wird.
Bereits jetzt kann bei Musterfeststellungsklagen (MFK) beobachtet werden, dass Unternehmer betroffene Verbraucher:innen, die sich zur MFK angemeldet haben, „“herauskaufen“. Bei Abhilfeverfahren steht dies auch zu befürchten, so dass im Endeffekt die erfolgreiche Durchführung von Abhilfeverfahren und damit die gewünschte Kollektivver- tretung von geschädigten Verbraucher:innen davon abhängig gemacht wird, ob und wie viele Betroffene von den Unternehmen herausgekauft werden. Das Risiko einer Klageerhebung und des Fortganges des Verfahrens ist damit für die klageberechtigten Verbände unberechenbar. In der Folge wird verhindert, dass das verbraucherfeindliche Verhalten eines Unternehmens sanktioniert wird. Dies widerspricht dem Grundgedanken des Leistungswettbewerbs.
Nach Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie (EU) 2020/1828 bezeichnet der Ausdruck „Kollektivinteressen der Verbraucher“ das allgemeine Interesse der Verbraucher:innen und, insbesondere im Hinblick auf Abhilfeentscheidungen, die Interessen einer Gruppe von Verbraucher:innen.
Entsprechend genügt nach Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie die Benennung einer „Verbrauchergruppe“, die Anspruch auf die genannte Abhilfe hat.
Ziel der Verbandsklagenrichtlinie ist es, ein möglichst hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Das Vertrauen der Verbraucher:innen in den Binnenmarkt soll durch unerlaubte Praktiken nicht beeinträchtigt werden.
Nach den Erwägungsgründen zur Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten die qualifizierten Einrichtungen verpflichten, zur Begründung einer Verbandsklage auf Abhilfe ausreichende Informationen zu Verfügung zu stellen, mit denen die Gruppe hinreichend umschrieben und identifiziert werden kann. Die Benennung und Identifizierung einzelner Verbraucher sollte gerade nicht beansprucht werden vor Erhebung einer Abhilfeklage, vgl. Erwägungsgrund 49. Mit dem Quorum von 50 Verbrauchern auch bei Abhilfeverfahren wird der Intention der Richtliniengeber entgegengewirkt.

Lösung:
Entsprechend der EU-Richtlinie sollte in § 4 und § 5 VDuG aufgenommen werden, dass Abhilfeklagen und Musterfeststellungsklagen auch erhoben werden können, wenn eine „Verbrauchergruppe“ betroffen ist.

d) Informationspflichten - § 12 VDuG-E, Änderung UKlaG – Art. 9 VRUG-E, § 5a UKlaG

Die klageberechtigte Stelle ist verpflichtet, bei alle Verbandsklagen, die sie erheben will, die sie bereits erhoben hat sowie über den jeweiligen Verfahrensstand zu informieren. Diese Informationspflichten sollen nicht nur die Verbraucher:innen befähigen, von Verfahren zu erfahren und sich diesen anzuschließen und sich über ihre Rechte zu informieren. Drüber hinaus sollen sollen die Informationsverpflichtungen auch dazu dienen, Unternehmer im Hinblick auf drohende Reputationsrisiken von Verbraucherrechtsverstößen abhalten, vgl. Erwägungsgrund 60 der Richtlinie.
Der Begriff der Verbandsklagen nach der EU-Richtlinie umfasst auch Verbandsklagen nach dem UWG sowie sämtliche Verbandsklagen nach dem UKlaG. Im Referentenentwurf UKlaG ist entsprechend für Klagen nach dem UKlaG festgehalten, dass die anspruchsberechtigten Stellen über Unterlassungsansprüche, die nach §§ 2, 2 oder 2 a UKlaG geltend gemacht wurden, auf der Internetseite zu informieren ist und zwar spätestens mit Einreichung des Antrags oder der Klage bei Gericht, vgl.§ 5a UKlaG.
Für klageberechtigte Stellen sind die Informationspflichten mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Möglich wäre eine Beschränkung der Informationsverpflichtung auf Musterfeststellungsklagen und Abhilfeverfahren. Andererseits ist zu bedenken, das nach der Änderung des BGB, hier § 204 a BGB Entwurf, die Verjährung der Ansprüche der Verbraucher:innen auch durch die Erhebung von Unterlassungsklagen nach UWG und UKlaG gehemmt werden, vgl. § 204 a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BGB-E.
Insofern ist eine umfassende Informationsverpflichtung im Sinne der Verbraucher:innen wichtig und unumgänglich, damit Verbraucher:innen rechtzeitig von einer Klage erfahren um sich gegebenenfalls einer Abhilfeklage, die einer Unterlassungsklage folgt, anschließen zu können.
Um dieser Informationsverpflichtung im Sinne der Interessen aller Verbaucher:innen nachzukommen, sollten aber allen klagebefugten Verbraucherverbänden die erforderlichen finanziellen Mittel bereitgestellt werden, damit diese Aufgaben ausgeführt werden können. Zwar können die entstehenden Kosten als Kosten des Rechtsstreits entsprechend § 5a Abs. 3 UKlaG geltend gemacht werden, aber die Verbände müssen permanente interne, insbesondere personelle Vorkehrungen treffen, die mit dauerhaften finanziellen Belastungen verbunden sind, um der Informationsverpflichtung Rechnung zu tragen.

Lösung:
Den Verbraucherzentralen sind öffentliche Mittel zu bewilligen, damit die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden können, um Verbraucher:innen umfassend über den aktuellen Verfahrensstand von Verbandsverfahren zu informieren.

e) Frühes Opt-In - § 46 Abs. 1 Abs. 1 VDuG-E

Mit der EU-Verbandsklage sollte der Zugang der Verbraucher:innen zur Justiz verbessert werden, vgl. Erwägungsgrund 10 der EU-Richtlinie. Nach Erhebung der Verbandsklage sollten die betroffenen Verbraucher:innen ausreichend Gelegenheit haben ihren Willen zu äußern, ob sie die einschlägigen Ergebnisse der Verbandsklage für sich in Anspruch nehmen wollen, vgl. Erwägungsgrund Nr. 43. Zugleich sollte aus Gründen der Zweckmäßigkeit und der Effizienz den Verbraucher:innen die Möglichkeit eingeräumt werden, nach dem Erlass einer Abhilfeentscheidung unmittelbar und ohne Anforderungen bezüglich eines vorherigen Beitritts Nutzen aus der Abhilfeentscheidung ziehen zu können, vgl. Erwägungsgrund 47.
Zugleich wollte der Richtliniengeber einer Wettbewerbsverzerrung zwischen gesetzestreuen und nicht gesetzestreuen Unternehmen entgegenwirken, vgl. Erwägungsgrund 2 der Richtlinie.
Mit der EU-Richtlinie wurde es den Mitgliedstaaten freigestellt, sich zwischen einem Opt-in und einem Opt-out zu entscheiden.
Mit dem Referentenentwurf hat sich das Bundesministerium für die Variante eines Opt- in entschieden und zwar für ein Opt-in bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins, vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 VDuG-E. Nicht vorgesehen ist im Referentenentwurf eine Partizipation an den Ergebnissen nach Erlass der Abhilfeentscheidung ohne vorherige Anmeldung.
Das frühe Opt-in schneidet Verbraucher:innen früh die Möglichkeit der kollektivrechtlichen Durchsetzung ihrer Rechte ab.
Viele Verbraucher:innen werden erst durch eine mediale Berichterstattung von einer Klage erfahren. Eine solche Berichterstattung erfolgt aber oft erst nach dem ersten Verhandlungstermin. Dann aber wäre nach dem Referentenentwurf eine Anmeldung nicht mehr möglich. Viele Verbraucher:innen werden auch erst einmal abwarten wollen, wie sich das Gericht im ersten Termin positioniert und eine Anmeldung vornehmen, wenn sie erkennen können, dass mit der Abhilfeklage auch ihren individuellen Ansprüchen Rechnung getragen werden kann. Für andere Verbraucher:innen wäre eine Partizipation an einem Ergebnis auch ohne vorherige Anmeldung eine sinnvolle Alternative zu einer eigenen individuellen Klage.
Ein spätes Opt-in, beispielsweise auch nach Urteilsverkündung oder abgeschlossenem Vergleich, hätte den für das Rechtssystem und die Verbraucher:innen den erheblichen Nutzen, dass weitere Individualverfahren vermieden werden könnten.
Für einen effizienten Verbraucherschutz sollte deshalb die Glaubhaftmachung einer bestimmten Anzahl von Verbrauchern oder einer bestimmten Verbrauchergruppe vor Er- hebung der Klage ausreichend sein. Im Verlaufe des Verfahrens können sich weitere Verbraucher:innen im Rahmen eines späten Opt-ins anmelden, um so von einer Abhilfeklage und einer abschließenden gerichtlichen Lösung zu profitieren. Die Sorge, dass sich bei einem späten Opt-in das finanzielle Risiko des Unternehmers unbillig erhöht, verfängt nicht. Unternehmer, die seriös bilanzieren, wissen wie hoch die Ansprüche sind, die auf sie zukommen.
Zu Bedenken ist, dass Verbraucher:innen, die sich einer Verbandsklage gerade nicht angeschlossen haben, den eigenen Leistungsanspruch gerichtlich unter Rückgriff auf die bereits ergangene Entscheidung im Verbandsverfahren einklagen können. Ein frühes Opt-in führt damit nicht zu dem vom Gesetzgeber augenscheinlich gewünschten Ergebnis das Risiko der Unternehmer zu reduzieren, sondern reduziert tatsächlich nur die Chancen der Verbraucher:innen Tatsächlich hätte ein spätes Opt-in sogar auch einen Nutzen für Unternehmer, die damit nicht eine Vielzahl weiterer individueller Verfahren befürchten müssen.
Mit einem frühen Opt-in vor dem ersten Termin wird der Verbraucherschutz gegen den Willen des europäischen Richtliniengebers verkürzt. Verbraucher:innen, die ihre Leistungsansprüche nicht rechtzeitig anmelden, gehen ihrer Rechte unter Umständen verlustig, sei es weil die Ansprüche verjähren, bevor die Verbraucher:innen sich zu einer Klage entscheiden, sei es weil sie teilweise dann doch vor einer individuellen gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche zurückschrecken.
Ein frühes Opt-in, das damit begründet wird, dass zeitliche Grenzen nach dem Prinzip der Gerechtigkeit eingeführt werden müssten, verzerrt darüber hinaus den Wettbewerb zugunsten der nicht gesetzestreuen Unternehmen und damit zu Lasten der gesetzestreuen Unternehmen.
Ein frühes Opt-in, ohne die Möglichkeit einer Partizipation ohne vorherige Anmeldung an der Abhilfeentscheidung, läuft damit in mehrfacher Hinsicht dem Willen des Europäischen Richtliniengebers zuwider.

Lösung:
In § 46 Abs. 1 Abs. 1 VDuG-E muss ein spätes Opt-in festgelegt werden.
Nur ein spätes Opt-in ist dazu geeignet, dass Verbraucher:innen ihre berechtigten Leistungsansprüche erfolgreich durchsetzen können. Ein Opt-in noch vor dem Gerichtstermin verhindert die Kenntnisnahme durch die betroffenen Verbraucher:innen und ist deshalb nicht geeignet, das Verbraucherschutzniveau und den Zugang der Verbraucher:innen zur Justiz zu verbessern. Nur mit einem späten Opt-in kann einer Wettbewerbsverzerrung entgegengewirkt, Individualklagen vermieden und der vom Richtliniengeber gewünschte hohe Verbraucherschutz bewirkt werden.

f) Anmeldung unter Angabe der Schadenshöhe - § 46 Abs. 2 letzter Satz VDuG-E

Nach § 46 Abs. 2 letzter Satz VDuG-E sollen Verbraucher:innen bereits bei der frühen Anmeldung Angaben zur Höhe des Anspruchs machen. Viele Verbraucher:innen werden jedoch zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht die Höhe des entstandenen Schadens bzw. der entstandenen Ansprüche beziffern können. Oft wird sich der Schaden aus der Differenz eines alten Vertrages, z.B. Stromlieferungsvertrag, zu den Kosten des neuen Vertrages, bzw. der Ersatz- und/oder Grundversorgung errechnen. Zum Zeitpunkt eines frühen Opt-ins bzw. zum Zeitpunkt der Anmeldung zu Verbandsklageregister können betroffene Verbraucher:innen einen Leistungsanspruch oft noch gar nicht beziffern.

Lösung:
Die mit § 46 Abs. 2 letzter Satz VDuG-E festgelegte Verpflichtung, dass bereits bei Anmeldung Angaben zur Höhe des Anspruches zu machen sind, erschwert die Anmeldung und ist daher zu streichen.

g) Hemmung der Verjährung bei Abhilfeverfahren – Änderung BGB, Art. 7 VRUG-E, § 204a Abs. 1 Nr. 4 BGB

Nach Art. 7 VRUG-E soll für Verbraucherinnen die Verjährung mit Erhebung einer Abhilfeklage gehemmt werden, sofern die Verbraucher:innen ihren Anspruch zum Verbandsklageregister anmelden.
Eine automatische Verjährungshemmung für alle Betroffenen bereits mit Klageerhebung unabhängig von einer späteren Registeranmeldung würde Unsicherheiten bei Verbraucher:innen ausräumen und zur vom EU-Richtliniengeber geforderten effizienten und wirksamen Durchsetzung von Verbraucherechten führen. Nur eine solche effektive Verbandsklage wird dazu führen, dass kostenintensive Individualklagen vermieden werden. Es gilt zu verhindern, dass abertausende Verbraucher:innen individuell vor Gericht ziehen müssen, um ihre berechtigten Leistungsklagen durchzusetzen. Es gilt aber auch zu verhindern, dass Verbraucher:innen, die ein eigenes Verfahren aus finanziellen Gründen scheuen oder sich aufgrund der mit einer Klage verbundenen Herausforderungen überfordert fühlen (rationales Desinteresse), auf die Geltendmachung ihrer berechtigten Ansprüche verzichten müssen.

Lösung:
In Art. 7 VRUG-E, ist festzuschreiben, dass mit Erhebung der Verbandsklage eine automatische Verjährungshemmung für alle gleichartigen Ansprüche von betroffenen Ver- braucher:innen eintritt.

Fazit

Im Interesse der Verbraucher:innen ist ein Rechtsinstrument zu schaffen, das es effizient und handhabbar ermöglicht, gleichgelagerte Ansprüche gegen ein Unternehmen mit kollektivrechtlicher Vertretung einzuklagen. Dabei ist das Klageinstrument so auszugestalten, dass es einen tatsächlichen Mehrwert für die Verbraucher:innen bewirkt.
Dieser Mehrwert liegt in der Vertretung der Verbraucher:innen durch die klageberechtigen Verbände, einem niedrigschwelligen Zugang der Verbraucher:innen zum Recht, einer kompetenten Information durch die klageführenden Verbände. Es muss mit der Verbandsklage auf Abhilfe sichergestellt werden, dass alle Verbraucher:innen durch ein spätes Opt-in, das in jedem Fall nach der ersten mündlichen Verhandlung liegen muss, an einer Abhilfeklage teilnehmen können.
Ein Verbandsklageinstrument muss zu einer schnelleren Erledigung führen als Individualklagen, auch deshalb verbietet sich bereits das Oberlandesgericht als Eingangsgericht.
Mit der Verbandsklage in Form der Abhilfeklage muss den klageberechtigten Verbraucherverbänden ein handhabbares Instrument gegeben werden. Daraus folgt unmissverständlich, dass Leistungsansprüche mit Benennung der betroffenen Verbrauchergruppe geltend gemacht werden können und/oder auf ein hohes Verbraucherquorum von 50 Verbraucher:innen verzichtet wird.

 

 

 

 

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