Jahre später allerdings erhalten Verbraucher:innen von ihrer Sparkasse Angebote zur Verrentung, in denen diverse konkret bezifferte Kostenarten aufgeführt werden:
- Sofern Ihnen „übrige Kosten“, „Verwaltungskosten“ oder „Verwaltungskosten vom Deckungskapital“ berechnet werden, können Sie das Angebot nachbessern lassen, indem Sie auf Ihre vertragliche Vereinbarung verweisen, wenn derartige Kosten nicht vereinbart waren.
Die eingangs zitierte Kostenklausel war vor der BGH Entscheidung bereits Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren, die die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im Interesse der Verbraucher:innen geführt hatte. So hatten bereits drei Landgerichte und das Oberlandesgericht München die Klausel für rechtswidrig befunden. In einem Fall hatte das zuständige Oberlandesgericht Zweibrücken die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben. Das OLG Zweibrücken vertrat die Ansicht, dass es sich bei der zitierten Textpassage nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, sondern nur um einen Hinweis, der der gerichtlichen AGB Kontrolle entzogen ist.
Das OLG Hamm dagegen deutete in der mündlichen Verhandlung am 24.08.2022 an, abweichend vom OLG Zweibrücken, der Auffassung der Verbraucherzentrale folgen zu wollen. Daraufhin nahm die beklagte Sparkasse die Berufung zurück und verhinderte so ein für sie negatives Urteil eines Oberlandesgerichts.
Das OLG München hatte in seinem Urteil gegen die Sparkasse Günzburg-Krumbach am 20.10.2022 entschieden, dass es sich bei der zitierten Klausel tatsächlich um eine Klausel handele und damit explizit dem OLG Zweibrücken widersprochen (Informationen zum Urteil mit Abrufmöglichkeit hier). Ferner hat es die Kostenklausel für unzulässig befunden und dies ausführlich begründet. Der Bundesgerichtshof schließlich hat entschieden, dass es sich um eine Klausel handelt, nicht um einen bloßen Hinweis, und hat diese Klausel am 21.11.2023 wegen Intransparenz für unwirksam erklärt (Az. BGH XI ZR 290/22).
Folgende Tabelle gibt einen Überblick über unsere Verbandsklagen und Abmahnungen. Die von der Verbraucherzentrale erstrittenen Urteile können Sie in unserer Urteilsdatenbank herunterladen. Sparkassen, die uns gegenüber eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, dürfen sich auf die streitige Klausel nicht mehr berufen. Sollten uns Urteile aus Individualverfahren bekannt werden, werden wir diese hier gerne ergänzen (hier können Sie uns diese zukommen lassen). Auch die Stiftung Warentest berichtet fortlaufend über den Stand der Rechtsprechung.
Verfahren
Wer? |
Was? |
Gegen wen? |
Ergebnis |
---|
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg |
Abmahnung, Unterlassungsklage |
Sparkasse Ulm |
Unterlassungserklärung, 01.10.2019 |
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg |
Unterlassungsklage |
Kreissparkasse Kaiserslautern |
Das OLG Zweibrücken hob die Entscheidung des LG Kaiserslautern auf, das die Klausel für unzulässig erachtet hat. Begründung: Es handle sich nicht um eine Klausel, sondern lediglich einen Hinweis (LG Kaiserslautern Az. 2 O 850/19, OLG Zweibrücken Az. 7 U 106/20). |
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg |
Unterlassungsklage |
Sparkasse Westmünsterland |
Klausel rechtswidrig (LG Dortmund, Az. 25 O 8/20, rechtskräftig), Beklagte nahm Berufung nach Verhandlung am OLG Hamm zurück (Az. I-31 U 251/20 ohne Urteil). |
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg |
Unterlassungsklage |
Sparkasse Günzburg-Krumbach |
Klausel rechtswidrig (LG München, Az. 27 O 230/20 und OLG München, Az. 29 U 2022/21) sowie BGH, Az. ZR 290/22, Urteil vom 21.11.2023.
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Verbraucherzentrale Baden-Württemberg |
Abmahnung |
Sparkasse Pfullendorf-Meßkirch |
Unterlassungserklärung, 05.08.2020 |
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg |
Abmahnung |
Sparkasse Bonndorf-Stühlingen |
Unterlassungserklärung, 16.10.2020 |
Die Erfahrung aus anderen Rechtsstreitigkeiten mit Kreditinstituten zeigt bislang stets, dass diese erst zugunsten ihrer Kundschaft einlenken, wenn sie gerichtlich dazu gezwungen werden. Die Verbraucherzentrale hat daher zur rechtlichen Klärung im Interesse der Verbraucher:innen mehrere Klagen gleichzeitig geführt. Unser Ziel ist es, die Übervorteilung der Verbraucher:innen zu beenden. Über den Stand unserer Verfahren halten wir selbstverständlich auch die zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht informiert.
Volks- und Raiffeisenbanken:
Die verwendeten Klauseln in den Verträgen der Volks- und Raiffeisenbanken sind nicht identisch mit den Klauseln der Sparkassen. In uns vorliegenden Riester Banksparplänen, die meist als „VR-RentePlus“ Verträge angeboten wurden, sind Abschluss- und Vertriebskosten im Vertragstext sogar explizit ausgeschlossen. Sie wurden aber dennoch in Rechnung gestellt. In diesen Verträgen heißt es dann beispielsweise in Abschnitt „I. Ansparphase“ unter Ziffer „5. Entgelt“ (Hervorhebung in fett durch uns):
„Abschluss- und Vertriebskosten werden für den Altersvorsorgevertrag nicht berechnet.“
Und zwei Sätze weiter heißt es:
"Darüber hinaus können einmalige Verwaltungskosten beim Übergang von der Ansparphase in die Auszahlungsphase erhoben werden."
Die erst genannte Klausel, wonach keine Abschluss- und Vertriebskosten berechnet werden, ist natürlich klar und verständlich und daher nicht zu beanstanden. Nach der BGH Entscheidung vom 21.11.2023 ist nach Auffassung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg auch die Kostenklausel bezüglich „einmaliger Verwaltungskosten“ der Volksbank unwirksam. Dazu liegt allerdings noch keine gerichtliche Entscheidung vor. Prüfen Sie das Angebot für eine VR-RentePlus-Sofortrente daher genau auf die darin enthaltenen Kostenarten:
- Sie können ein Angebot verlangen, bei dem „Abschluss- und Vertriebskosten“ nicht berechnet werden. Verweisen Sie auf die zitierte vertragliche Vereinbarung.
- Sofern Ihnen „jährlich übrige einkalkulierte Kosten“ als „Verwaltungskosten“ berechnet werden, können Sie das Angebot ebenfalls nachbessern lassen, indem Sie auf Ihre vertragliche Vereinbarung verweisen.
- Nach Auffassung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg darf das Kreditinstitut auch nicht „einmalig übrige einkalkulierte Kosten“ als „Verwaltungskosten“ erheben, weil die entsprechende Klausel ebenfalls rechtswidrig sein dürfte.
Die VR-Rente Plus Verträge enthalten im Anschluss an den Abschnitt „I. Ansparphase“ meist einen Abschnitt „II. Auszahlungsphase“. Dort sind keinerlei Kosteninformationen aufgeführt. Vielmehr ist dort geregelt, wann die Bank ihren Kundinnen und Kunden spätestens ein Angebot für die Auszahlung der Rente unterbreiten wird. Erfolge keine rechtzeitige Mitteilung der Kundinnen und Kunden, würde die Bank nach ihrem Ermessen eine Auszahlungsform bestimmen. Wir haben, gestützt auf die BGH Rechtsprechung vom 27.04.2021, Zweifel, ob ein solches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht überhaupt zulässig ist. Wir meinen daher, dass Sie sich mit der Bank einigen müssen, sonst kann die Verrentungsphase nicht wirksam beginnen. Ohne eine solche Einigung darf die Bank auch nicht Ihre Zustimmung zu einem kostenpflichtigen Verrentungsangebot voraussetzen. Überdies sollen Abschluss- und Vertriebskosten regelmäßig auch den „Beratungsaufwand“ der Vermittler finanzieren. Von einer Beratung kann aber nicht die Rede sein, wenn die Bank ohne Zustimmung der Kunden und Kundinnen die Verrentung selbst festlegt. Einigen Sie sich nicht auf eine Verrentung, bleibt der Rechtsrahmen für Ihren Riester Vertrag der bisherige, der sich aus dem VR-Rente Plus Vertrag ergibt.
Wie Sie sich wehren können
Die Verbraucherzentrale rät Riester-Sparern, ihre Verträge bereits vor Beginn der Rente zu überprüfen. Kreditinstitute dürfen bei Riester-Verträgen nur Kosten verlangen, auf die sie im ursprünglichen Sparvertrag konkret hingewiesen haben.
Prüfen Sie ferner, zwischen wem welcher Vertrag abgeschlossen werden soll. Nach unserer Kenntnis schließen die Kreditinstitute den Verrentungsvertrag selbst als Versicherungsnehmer mit dem Versicherer ab und vermerken Sie lediglich als begünstigte Person („Versicherte Person“). Sie können aber unseres Erachtens nicht mit Kosten belastet werden aus einem Vertrag, den Ihr Kreditinstitut mit einer Versicherungsgesellschaft abschließt. Man spricht dann von einem Vertrag zu Lasten Dritter. Nach unserer Auffassung ist die Auswahl eines Versicherers und das Unterbreiten eines Verrentungsangebots keine für Sie als Kunden zu erbringende Zusatzleistung, die einen Vergütungsanspruch begründen kann. Das Kreditinstitut schuldet diese Leistung bereits aus dem Altersvorsorgevertrag, der ja ohne Rentenzahlung kein Riester-Altersvorsorgevertrag wäre. Allenfalls könnte man argumentieren, dass Sie als Kunde Ihr Kreditinstitut damit beauftragen können, zu Ihren Gunsten einen Versicherungsvertrag abzuschließen. Dann greift das gesetzliche Leitbild der Geschäftsbesorgung nach §662 ff BGB. Dies gibt Ihnen weitere Rechte:
- Nur unter bestimmten Umständen darf Ihr Kreditinstitut von Ihren Weisungen abweichen (§665 BGB)
- Dem Beauftragten wird eine Auskunft- und Rechenschaftspflicht auferlegt (§666 BGB)
- Sie haben ein Recht auf Herausgabe von Zuwendungen (Provisionen), die Ihr Kreditinstitut von Dritten erhält (§667 BGB)
- Sie müssen dem Kreditinstitut lediglich die entstandenen Aufwendungen ersetzen, das heißt die Kosten, welche beim Versicherer anfallen (§670 BGB). Dies schließt eine Gewinnmarge des Kreditinstituts bzw. einen eigenen Vergütungsanspruch aus.
Leider ist aber unklar, ob die hier genannten Grundzüge des Auftragsrechts überhaupt anwendbar sind. Zwar dürften Sie als Auftraggeber Provisionen zurückverlangen, die der Beauftragte von Dritten erhält. Insbesondere die Sparkassen und ihre Schlichtungsstelle beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband argumentieren, dass es ihnen als Versicherungsvermittler nach §48b Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) verboten sei, auch nur einen Teil der Provision, die sie vom Versicherer erhalten, an die versicherte Person abzugeben (sogenanntes Provisionsabgabeverbot). Allerdings lässt das VAG Ausnahmen vom Provisionsabgabeverbot zu. Ihr Kreditinstitut darf nach §48b, Absatz 4 VAG eine „Sondervergütung zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrags“ verwenden (vgl. auch Verwaltungsgericht Frankfurt Az 7 K 2581/17.F, Randnummer 38 ff.), wenn dies im Versicherungsvertrag zwischen dem Kreditinstitut und dem Versicherer vereinbart ist. Anders formuliert: Ihr Kreditinstitut müsste lediglich im Versicherungsvertrag vereinbaren, dass die Provision zur Rentenerhöhung verwendet wird. Damit ist der Verweis auf das Provisionsabgabeverbot unseres Erachtens lediglich vorgeschoben, um weiterhin Provisionen einzubehalten.
Wir haben viele Verbraucher:innen bereits an die zuständigen Schlichtungsstellen verwiesen. Uns sind Schlichtersprüche bekannt geworden, in denen unsere Argumente im Interesse der Verbraucher:innen aufgegriffen und vertreten werden. Die Rechtsauffassung der Schlichtungsstellen ist aber nicht in Stein gemeißelt und sollte sich im Hinblick auf die jüngste BGH Entscheidung vom 21.11.2023 ändern. Die Argumentationen unterscheiden sich von Schlichter zu Schlichter und von Vertrag zu Vertrag.
Wehren Sie sich gegen unzulässige oder vor Vertragsabschluss nicht deutlich gemachte Kosten Ihres Riester Anbieters! Wichtig ist, dass Sie sich wehren, bevor Sie ein Verrentungsangebot annehmen. Dazu können Sie unseren interaktiven Musterbrief nutzen. Prüfen Sie aber zuvor, ob einer der beiden folgenden Sachverhalte für Ihren Vertrag zutreffend ist:
- Sie sind Kunde einer Sparkasse und/oder in Ihrem Vertrag steht eine Klausel, die sinngemäß wie folgt lautet: „Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggfs. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet“
- Sie sind Kunde einer Volks- und Raiffeisenbank und/oder in Ihrem Vertrag steht sinngemäß „Abschluss- und Vertriebskosten werden für den Altersvorsorgevertrag nicht berechnet.“
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