Warum stellen Provisionen in der Finanzberatung ein strukturelles Problem dar?
Verbraucher:innen wenden sich an einen Finanzberater, wenn sie aufgrund fehlender Informationen oder fehlender Zeit eine Anlageentscheidung nicht selbst treffen können oder wollen. Sie erwarten als Ergebnis der Finanzberatung eine ihrem Bedarf, insbesondere ihrer Risikobereitschaft und Risikotragfähigkeit, entsprechende Empfehlung. Sie möchten wissen, mit welchen Anlageprodukten sie ihr Ziel, beispielsweise eine ihren Lebensstandard sichernde Altersvorsorge, am besten erreichen.
Berater:innen bei Finanzinstituten, wie etwa Banken, vertreten die Interessen ihres Arbeitgebers. Der wiederum will durch die Anlage Geld verdienen und motiviert Finanzberater:innen deshalb, teure Anlageprodukte zu verkaufen. Dazu sind die Verkäufer:innen auch bestens geschult. Sie werden gezielt in Methoden der Verkaufspsychologie ausgebildet und wenden diese an. Mindestens ihre Karriere hängt vom Vertriebserfolg ab, zum Teil werden aber auch Boni gezahlt, je nach Verkaufserfolg.
Daneben gibt es auch viele Versicherungsvermittler:innen oder vermeintlich unabhängige Finanzberater:innen sowie Strukturvertriebe, die ebenfalls Produkte gegen Vertriebsprovisionen auf eigene Rechnung oder für andere Finanzinstitute vermitteln. Deren Einkommen hängen direkt oder indirekt von der Höhe der Provisionen ab.
In einer Situation, in der Verbraucher:innen Rat suchen, haben Finanzberater:innen einen Informationsvorsprung, den Verbraucher:innen nicht aufholen können. Sie können nicht erkennen, ob die angebotene Anlagemöglichkeit wirklich die für sie bestmögliche Empfehlung ist.
Finanzberater:innen empfehlen, für ihre Kundschaft unerkennbar, gezielt solche Produkte, mit denen sie am meisten Geld verdienen.
Welchen Schaden verursachen Provisionen in der Finanzberatung?
Provisionen verhindern bedarfsgerechte Anlageentscheidungen. Aufgrund der Provisionen wählen Verkäufer:innen Produkte nach der Höhe der Provision aus, nicht nach dem Bedarf der Ratsuchenden. Deshalb werden Verbraucher:innen zum Beispiel zur Altersvorsorge in erster Linie private Rentenversicherungen verkauft. Da wird eine hohe Abschluss- und Bestandsprovision bezahlt, während ein simpler ETF-Sparplan so günstig ist, dass kein Anreiz für Vermittler:innen besteht, diesen zu empfehlen. ETFs sind aber häufig auch eine gute und bedarfsgerechte Wahl für Verbraucher:innen, gerade zur Altersvorsorge.
Ein anderes Beispiel: Vor einigen Jahren hatten Banken in der allgemeinen Negativzinsphase Verwahrentgelte eingeführt. Wer diese nicht bezahlen wollte, dem wurden teure Mischfonds verkauft. Dafür konnten die Banken über die Provision das Zehnfache dessen kassieren, was sie nach einem Jahr mit dem Negativzins kassiert hätten. Und was hatten die Verbraucher:innen davon? Sie zahlten satt Provisionen und blieben auf den Kursverlusten von 20 Prozent und mehr binnen eines Jahres sitzen.
Oder: Jungen Menschen werden Rentenversicherungen zur Altersvorsorge verkauft, bei denen das Geld in angeblich professionell verwaltete Fonds angelegt werden soll. Erst wenn die Verbraucherzentralen die Verträge nachrechnen, wird das Ausmaß des Schadens deutlich. Selbst 20 Jahre nach Vertragsabschluss sind viele Verträge noch im Minus, vor allem wegen hoher Kosten, woraus auch die Provisionen bezahlt werden. Bei bedarfsgerechter Anlage hätten die Sparenden dagegen die Kapitalmarkterträge bei minimalen Kosten fast vollständig vereinnahmen können. Statt des Verlustgeschäfts schlügen ordentliche Erträge zu Buche.
Schließlich werden wegen Provisionen häufig neue Produkte verkauft, um mehrmals abzukassieren. Verbraucher:innen schildern, dass Vermittler:innen ihnen schon zweimal geraten hatten, den Riester-Altersvorsorge-Vertrag zu wechseln. Jedes Mal wurde neu Provision kassiert, jedes Mal war die Empfehlung nicht bedarfsgerecht.
Das sind keine Einzelfälle: Mehrfach haben die Verbraucherzentralen Marktbeobachtungen veröffentlicht und Fälle aus der Verbraucherfinanzberatung ausgewertet. Demnach waren 95 Prozent der Anlagevorschläge von Finanzberater:innen nach Auffassung der Verbraucherzentralen nicht bedarfsgerecht.