Seit dem 28.05.2022 sind Anbieter verpflichtet, bei der Ankündigung von Preisermäßigungen, bei denen auf einen höheren oder bisherigen Preis Bezug genommen wird, auch den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage für die beworbene Ware anzugeben. Wir haben in den letzten Monaten verstärkt Preiswerbungen beobachtet, mit denen Anbieter versuchen, dieser gesetzlichen Regelung ein Schnippchen zu schlagen – oder sie bis an die Grenzen der gesetzlichen Vorgaben auszureizen.
In Lebensmittelprospekten werben Händler oft mit reduzierten Preisen, beispielsweise wird eine Ermäßigung von 25 Prozent auf den „ursprünglichen“ Preis oder ein „Preis-Highlight“ behauptet. Doch was ist der „ursprüngliche“ Preis? Damit Verbraucher:innnen das besser beurteilen können und möglicher Täuschung ein Riegel vorgeschoben wird, wurde vergangenes Jahr die Preisangabenverordnung geändert. Händler müssen bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung, so steht es im Gesetz, den günstigsten Preis der letzten 30 Tage angeben. Unserer Meinung nach muss der günstigste Preis der letzten Tage aber nicht nur angegeben werden, sondern die beworbene Preisreduzierung muss sich auch auf eben diesen Preis beziehen. Und das sehen nicht nur wir so, auch der Gesetzgeber hat in seiner Begründung zur Änderung der Preisangabenverordnung ausgeführt, dass es bei der Werbung mit einer Preisermäßigung klar und eindeutig sein muss, dass sich die Preisermäßigung auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezieht. Aktuell, so unser Eindruck, versuchen Händler, die neue gesetzliche Regelung zu ihren Gunsten auszulegen. Unsere Klage gegen Aldi verwies das Landgericht Düsseldorf nun an den Europäischen Gerichtshof, dieser urteilte am 26. September 2024 im Sinne der Verbraucher:innen. Die Entscheidung wird weitreichende Folgen für die Werbung mit reduzierten Preisen haben.
Aldi-Preiswerbung landet vor dem Europäischen Gerichtshof
Der Discounter Aldi warb in einem Prospekt mit einem „Preis-Highlight“ für reduzierte Ananas. Dem reduzierten Preis (1,49 Euro) wurde ein durchgestrichener Preis (1,69 Euro) gegenübergestellt, auf den sich das „Preis-Highlight“ augenscheinlich beziehen sollte. Darunter war in kleiner Schrift zu lesen, dass der günstigste Preis der letzten 30 Tage bei 1,39 Euro lag. Ein „Preis-Highlight“ sieht unserer Meinung nach anders aus. Zwar hatte Aldi hier den günstigsten Preis der letzten 30 Tage angegeben, das reichte unserer Auffassung nach aber nicht aus. Weil Aldi nach unserer Abmahnung keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, landete der Fall vor dem Landgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 38 O 182/22). Das Gericht beschloss am 19.05.2023, den Fall direkt dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, damit die aufgeworfenen rechtlichen Fragen grundsätzlich geklärt werden: Muss sich ein Händler bei der Bewerbung einer Preisermäßigung auf den günstigsten Preis der letzten 30 Tage beziehen?
Der EuGH (Aktenzeichen EuGH C-330/23) entschied am 26.09.2024 schließlich in unserem Sinne, mit weitreichenden Folgen für Preiswerbung. Wir hoffen, dass mit dem Urteil endlich ein Dauerärgernis für Verbraucher:innen abgestellt wird: Vorgegaukelte Preisreduzierung durch Preisschaukelei, also das künstliche Heraufsetzen eines Preises, um später mit einer größeren Reduzierung werben zu können.
Verfahren gegen Lidl
Auch Lidl online warb für einen Heimtrainer und stellt den eigenen günstigen Preis einer „unverbindlichen Preisempfehlung“ des Herstellers (UVP) gegenüber, wobei die UVP rot durchgestrichen ist und mit dem Hinweis auf 53 Prozent Preisersparnis geworben wird. Da nicht auf einen eigenen bisher verlangten Preis Bezug genommen wird, muss der günstigste Preis der letzten 30 Tage, den der Anbieter selbst verlangt hat, nicht angegeben werden. Soweit so gut. Aber tatsächlich wird das beworbene Produkt zu einem weit günstigeren Preis unter der genannten Marke im Internet gehandelt. Die angebliche UVP wird nach unserer Recherche von niemanden verlangt. Eine Preiswerbung unter Bezugnahme auf eine nicht existente „unverbindliche Preisempfehlung“ ist nach unserer Auffassung aber irreführend, da so den angesprochenen Verbraucher:innen eine Preisersparnis vorgestellt wird, die tatsächlich nicht gewährt wird. Auch hier haben wir rechtliche Schritte eingeleitet, die Verhandlung fand am 30. Mai 2023 statt. Dieses Verfahren haben wir erstinstanzlich verloren. Gegen das Urteil des LG Heilbronn haben wir zum OLG Stuttgart (Az. 2 U 142/23) Berufung eingelegt.
Eine weitere Klage gegen Lidl haben wir angestrengt, weil für ein Lebensmittel mit einem aktuellen Sonderpreis geworben wurde unter Gegenüberstellung eines gestrichenen Preises und der Ankündigung von 25 Prozent Preisreduzierung – ohne Hinweis auf den günstigsten Preis der letzten 30 Tage. Das Verfahren wurde durch einen Vergleich am 17. Mai 2023 beendet.
Mit einer dritten Klage gegen den Discounter wollten wir klären, ob eine prozentuale Preisreduzierung, die sich nicht auf den günstigsten Preis der letzten 30 Tage, sondern auf den Preis einer wie auch immer gestalteten „Standardverpackung“ bezieht, eine zulässige oder doch eher unzulässige Variante eines Preisvergleiches ist. Das Landgericht Heilbronn hat unserer Klage teilweise stattgegeben und untersagt, durch Angabe einer prozentualen Reduzierung einen besonderen Preisvorteil gegenüber dem Preis einer „Standardverpackung“ zu behaupten, ohne zu erläutern, worum es sich bei einer „Standardverpackung“ handelt. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Gegen die Klageabweisung wurde von uns Berufung eingelegt zum OLG Stuttgart (Az. 2 U 130/23).
Verfahren gegen Edeka
Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass auch Edeka testet, inwieweit die Regelung in der Preisangabenverordnung auf die eigene Werbung anzuwenden ist. Zum Beispiel warb Edeka für abgepackte Möhren mit dem Hinweis auf einen „Super-Knüller-Preis“ von 0,99 Euro pro 750g-Schale und einer Preisersparnis von 33 Prozent. Dieser Hinweis war allerdings mit einem Sternchen versehen. Dieses Sternchen wurde am Ende der Prospektseite erläutert und klärte darüber auf, dass der niedrigste Gesamtpreis der letzten 30 Tage bei den beworbenen Möhren bei 0,88 Euro gelegen habe. Uns erschließt sich nicht, inwieweit Verbraucher:innen hier 33 Prozent sparen sollen. Edeka selbst ist der Überzeugung, der gesetzlichen Vorgabe durch Nennung des günstigsten Preises der letzten 30 Tage Genüge getan zu haben. Die Klage ist beim Landgericht Offenburg (Aktenzeichen 5 O 1/23 KfH) anhängig, im Hinblick auf das vor dem EuGH anhängige Verfahren ruht dieses Verfahren.
Verfahren gegen Netto
Auch Netto wirbt in seinen Prospekten mit Preisermäßigungen, wie beispielsweise für Kaffee zu einem Kaufpreis von 4,45 Euro und einer prozentualen Reduzierung von 31 Prozent. Als Bezugspreis für diese Ermäßigung wurde ein Betrag von 6,49 € genannt. Über einen Sternchenhinweis wurde am Fußende des Prospektes darüber informiert, dass der niedrigste Preis der letzten 30 Tage 4,49 € war. Die tatsächliche Ermäßigung gegenüber dem Referenzpreis war also gerade einmal 25 Cent. Netto hält die Angabe des niedrigsten Verkaufspreises der letzten 30 Tage in der Fußnote für ausreichend. Auch eine unmittelbare Bezugnahme der prozentualen Preisreduzierung auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage hält Netto im Hinblick auf die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung in § 11 PAngVO für nicht erforderlich. Das erstinstanzliche Verfahren vor dem LG Amber (Az. 41 HK O 856/22) haben wir verloren. Das Berufungsverfahren vor dem OLG Nürnberg (Az. 2 U 1270 / 23) ruht im Hinblick auf das EuGH Verfahren.
Wir hoffen, mit diesen Verfahren, mehr Transparenz und Verbraucherschutz bei Werbung mit Preisreduzierungen zu erreichen. Bis dahin gilt, Preiswerbungen kritisch zu betrachten und insbesondere bei der Ankündigung von prozentualen Preisreduzierungen auf den günstigsten Preis der letzten 30 Tage zu achten.